Neue Schuhe zum Dessert
um ihnen die Tür zu öffnen, und zehn Minuten später, nachdem ich alle Ketten und Riegel aufgemacht hatte, stürzten zwei kräftige junge Männer (sie hätten dir gefallen) herein, rasten mit der Krankenbahre die Treppe hoch, gurteten Mam darauf fest und rannten wieder runter. Ich immer hinterher. Sie schoben Mam in den Krankenwagen, ich sprang auch rein, und dann schlossen sie Mam an alle möglichen Geräte an.
Wir sausten mit Getöse durch die Straßen, während die Männer alle Werte überprüften, und ich weiß nicht genau, wie ich es merkte, jedenfalls veränderte sich die Atmosphäre plötzlich, und die hektische Effizienz wich einer eher unangenehmen Stimmung. Die beiden Männer warfen sich komische Blicke zu, und mein Magen verkrampfte sich immer mehr.
»Stirbt sie?«, fragte ich.
»Nein.«
»Wie …?«
Dann sagte einer der Männer: »Sie hat nichts. Keinen Infarkt. Keinen Schlaganfall. Die Werte sind bestens.«
»Aber sie hat nach Luft gerungen«, sagte ich. »Und sie war grau im Gesicht.«
»Wahrscheinlich ein Panikanfall. Gehen Sie zu Ihrem Hausarzt, lassen Sie sich Valium verschreiben.«
Kannst du dir das vorstellen? Sie drehten die Sirene aus. Der Krankenwagen wendete und brachte Mam und mich in gemächlichem Tempo wieder nach Hause.
Es war mir so peinlich.
Die Jungs nahmen es locker. Als ich herauskletterte und mich entschuldigte, weil wir ihre Zeit verschwendet hatten, sagten sie nur: »Macht doch nichts.«
Ich legte mich wieder ins Bett, und ich schwöre dir, mir war glühend heiß vor Scham, ich stand in Flammen. Immer, wenn ich gerade am Einschlafen war, fiel es mir wieder ein, und ich schoss im Bett hoch. Es dauerte Stunden, bis ich endlich wegschlummerte, und als ich aufwachte, war es Samstagmorgen und Zeit, die begeisterte Besprechung von Lilys Buch in der Irish Times zu lesen. (Im Anhang hast du eine Kopie von der Webseite der Irish Times .)
Mein Leben ist mir verhasst.
Obwohl es mich freut, dass es deinen Alltag erhellt – aber du lernst bald Leute kennen, und dann bist du nicht mehr einsam.
Ich muss jetzt Schluss machen, denn Doktor Bailey ist hier (mal wieder). Schreib mir bitte, und erzähl mir was Schönes über Seattle.
Liebe Grüße
Gemma
PS Ich sollte dir den Gefallen nicht tun, aber wenn du es wirklich wissen musst – ich fand den Kaffeegeschmack zu intensiv und würde es mit Milchschokolade lieber mögen als mit Bitterschokolade.
Ich durfte das Haus verlassen, um Mams Medikamente von der Apotheke zu holen. Doktor Bailey hatte stärkere Beruhigungstabletten verschrieben und etwas auf seinen Block gekritzelt und gesagt: »Vielleicht sollten wir ein Antidepressivum geben.«
Mam sagte: »Das einzige Antidepressivum, das ich möchte, ist, dass mein Mann nach Hause kommt.«
»Das gibt es noch nicht auf dem Markt«, entgegnete Doktor Bailey und war schon auf der Treppe, auf dem Weg zum Golfplatz.
Ich ging zur selben Apotheke wie an dem Abend neulich. Nicht nur war der Mann sehr freundlich gewesen, die Apotheke war auch am nächsten.
Die Tür machte »Ping«, und jemand sagte: »Sie sind’s, hallo.«
Es war derselbe Mann, der mir am Mittwochabend das Leben gerettet hatte.
»Hallo.« Ich gab ihm das Rezept. Er überflog es und machte ein besorgt-freundliches Geräusch. »Setzen Sie sich doch.«
Während er hinter der Trennwand verschwand, um Mams Glückspillen abzufüllen, fiel mir auf, dass es in dem Laden alle möglichen schönen Dinge gab, die ich am Mittwoch gar nicht bemerkt hatte.
Nicht nur das, was es in jeder Apotheke an Schmerzmitteln und Hustensäften gibt, sondern auch Gesichtscremes und, sehr faszinierend, Nagellack. Und hier ist meine Einstellung zu Nagellack …
Meine Lieblingssachen
Mein Lieblingsding Nr. 2
Meine Nägel: Ein Zeugenbericht
Ich habe meine Hände immer gehasst. Ich bin mit eher kurzen Gliedmaßen ausgestattet, und bei den Fingern sieht man das am deutlichsten. Vor ungefähr einem halben Jahr habe ich mir, von Susan angestachelt, die Nägel »machen« lassen. Das heißt, sie wurden mit allerlei künstlichem Zauberzeug verlängert und verstärkt. Das Beste daran ist, dass sie nicht künstlich aussehen. Sie sehen aus wie schöne Fingernägel von einer schönen Länge und mit einem schönen Nagellack lackiert. (Scheußliche, hexenartige rote Krallen sind nichts für mich.)
Ich fühle mich anders, wenn ich aus dem Nagelstudio komme. Ich bin dann dynamischer, ich gestikuliere mehr, ich kann meine Mitarbeiter
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