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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Familientreffen gesehen hatte, vermisste ich sie.
    5. Nachbarn? Die beste Nachbarin von allen war Mrs Kelly, die Mam schlecht machte. Es fiel mir schwer, das zu begreifen, denn in meiner Kindheit schienen alle Familien in unserer Straße ungefähr zu einer Altersgruppe zu gehören. Doch jetzt waren, ohne dass ich es bemerkt hatte, jüngere Familien eingezogen. Wann hatte diese Veränderung stattgefunden? Wann hatte es angefangen, dass die Leute starben oder in so praktische Wohnanlagen zogen, die letzte weltliche Wohnstatt vor der Luxusvilla im Himmel?
    6. Freunde? Mam und Dad gehörten nicht gerade zu einem großen, aufregenden Freundeskreis, viele von Mams Freunden waren gleichzeitig Dads Freunde – sie waren ein Paar und gingen mit anderen Paaren aus, sie sprachen von Freunden als einem »netten Paar«. Es gab »die Bakers« – mit Mr Baker spielte Dad Golf. Und »die Tyndals«.
    7. Mams geistlicher Berater? Father irgendwas – müsste ich herausfinden.
     
    Da hast du dir einen guten Zeitpunkt ausgesucht, um uns zu verlassen, Noel Hogan, du Arsch. Der Spruch reimt sich zwar nicht, gefiel mir aber trotzdem. Immer wieder kamen mir diese Gedanken: Und wenn er nicht zurückkommt? Wenn es jetzt immer so weitergeht? Was mache ich, wenn Mam jedes Mal, wenn ich das Haus verlasse, Atemnot hat? Wie soll ich meine Arbeit schaffen? Wie soll ich mein eigenes Leben führen?
    7
    Am Montagmorgen musste ich zur Arbeit gehen. Es war unabdingbar. Davinia hatte um eine Besprechung mit mir gebeten, außerdem musste ich nach Kildare fahren, um zu überprüfen, ob das Zelt auf der richtigen Wiese aufgebaut wurde. Ich weiß, das klingt völlig hirnlos, aber es ist schon einmal passiert, nämlich bei Wayne Diffney von Laddz , der Boygroup (er ist der Verrückte mit den superscheußlichen Haaren). Sein Hochzeitszelt war auf der falschen Wiese aufgestellt worden, und es blieb keine Zeit mehr, es ab- und wieder aufzubauen, deswegen musste dem Bauern, dem die Wiese gehörte, eine enorme Schadensersatzsumme gezahlt werden. Zum Glück war es nicht unsere Agentur, aber es hat die Grundfesten der irischen Event-Agenturen ganz schön erschüttert.
    Am Sonntagabend drückte ich also schuldbewusst und unter Rechtfertigungszwang die Ton-Aus-Taste an der Fernbedienung und sagte: »Hör mal zu, Mam, ich muss morgen unbedingt zur Arbeit.«
    Sie antwortete nicht und starrte einfach weiter auf die stummen Bilder, als hätte sie mich nicht gehört.
    Es war ein schrecklicher Tag gewesen – Mam war nicht zur Messe gegangen, und es ist unmöglich, demjenigen, der sich nicht mit irischen katholischen Müttern auskennt, zu vermitteln, wie ernst das ist. IKMs verpassen die Sonntagsmesse auch dann nicht, wenn sie Tollwut haben und Schaum vor dem Mund – sie nehmen einfach eine Schachtel Papiertaschentücher mit und halten durch. Wenn ihnen ein Bein abfällt, hüpfen sie auf dem anderen; fällt das auch ab, kriechen sie zur Kirche und winken den Nachbarn, die im Auto vorbeifahren, trotzdem freundlich zu.
    Am Sonntagmorgen um zehn Uhr unterbrach ich Mam, die bewegungslos vorm Fernseher saß und sich eine Wochenzusammenfassung der Börsengeschäfte ansah. »Mam, musst du dich nicht zur Messe fertig machen?«
    (Plötzlich fiel mir ein, wer die vierte Mary war, die weggezogen war. Es war gar keine Mary. Es war Mrs Prior – Lotte. Kein Wunder, dass es mir nicht vorher eingefallen war. Die bevorstehende Messe hat die Erinnerung wachgerüttelt, denn Mam hatte einmal gesagt: »Ich mag Lotte sehr gern, obwohl sie evangelisch ist.« Aber im Sommer zuvor war Lotte zum großen Holzschuhtanz in den Himmel abberufen worden, und Mr Prior hatte das Haus verkauft und war in eine Anlage mit betreuten Wohnungen gezogen.)
    Mam hörte mich offenbar nicht, also sagte ich: »Mam! Du musst dich jetzt fertig machen, zur Messe. Ich fahre dich.«
    »Ich gehe nicht.«
    Mein Magen krampfte sich zusammen. »Ich kann auch mitkommen.«
    »Habe ich nicht gerade gesagt, dass ich nicht gehe? Alle werden mich anstarren.«
    Ich benutzte die gleiche Methode, die sie bei mir benutzt hatte, wenn mir etwas peinlich war. »Sei nicht albern«, beschwichtigte ich sie, »die sind doch alle viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Wer soll dich schon anstarren?«
    »Alle«, sagte sie jämmerlich, und sie hatte Recht.
    Unter normalen Umständen zählte die Elf-Uhr-Messe als »Promenade«. Für Mam und ihre Freundinnen war es ein »Flanieren«. Wenn einer in unserer Straße einen neuen

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