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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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zerbrechliche Ausstrahlung an, aber weil ich so verletzt war, hatte ich mich im Dorfladen ihm gegenüber unverschämt verhalten, als er versuchte, nett zu sein. Dennoch, statt mich eine dumme Kuh zu nennen, wie er das im richtigen Leben tun würde, und seine Affäre mit dem Dorfflittchen wieder aufleben zu lassen, fing er an, jeden Morgen für mein Frühstück zwei frische Eier vor meine Tür zu legen – natürlich noch warm von den Hühnern. (Da spielte es keine Rolle, dass mein Frühstück normalerweise aus einem Mini-Magnum und drei Schüsseln Sugar Puffs bestand.) Ich machte also ein köstliches Omelette mit frischer Petersilie, die ich im Garten holte, der zu dem Haus gehörte. Manchmal legte er auch einen handgepflückten Strauß Wiesenblumen auf meine Treppe, und bei unserer nächsten Begegnung sagte ich nicht spöttisch: »Interflora liefert wohl nicht in dieser Gegend, was?«, sondern dankte ihm und sagte, Butterblumen seien meine Lieblingsblumen. (Als ob.) Irgendwann landete ich in seiner Küche, wo er ein kleines Lamm zärtlich mit der Flasche fütterte, und mein Herz fing langsam an, aus seiner Vereisung aufzutauen, was längst fällig war. Doch eines Morgens, bei meinem Spaziergang auf den Klippen, löst sich ein Felsbrocken vom Rand, und ich werde mit ihm in die Tiefe gerissen. Den Warnungen, dass die Ränder brüchig seien, hatte ich in meinem Wunsch zu sterben keine Beachtung geschenkt. Aus irgendeinem Grund sieht der Bauer, wie ich stürze, und kommt mit seinem Trecker und Seilen und rettet mich von dem kleinen Vorsprung, auf dem ich glücklicherweise gelandet bin. Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.
    6
    AN:   [email protected]
VON:  [email protected]
THEMA:  Dauerdrama
     
    Warte, bis du das Neueste hörst. Gestern Abend lag ich im Bett und tröstete mich mit meiner Bauer-Regisseur-Fantasie, als ich ein Geräusch aus Mams Zimmer hörte. Erst ein Aufprall, und dann rief sie jämmerlich: Gemma, Gemma. Aber es klang so: ddschemmmmmaaah … ddschemmmmaaah … Ich stürzte also in ihr Zimmer, und sie lag auf der Seite und wand sich wie ein im Sterben liegender Schellfisch und sagte: »Mein Herz!« (Die Leute sagen das also tatsächlich.) »Ich habe einen Herzinfarkt.«
    Ich glaubte ihr – sie war ganz grau im Gesicht, ihre Brust ging wild auf und ab, und ihre Augen traten hervor. Ich griff so heftig nach dem Telefon auf dem Nachttisch, dass es zu Boden fiel.
    Es ist merkwürdig, einen Notarzt zu rufen, bisher hatte ich das erst einmal gemacht. Damals hatte Anton einen Schluckauf, und ich war sturzbesoffen. (Um ehrlich zu sein, er auch, und das war der Grund für seinen Schluckauf.) Wir versuchten alles, ihn wegzukriegen: Ich fuhr ihm mit einem kalten Schlüssel über den Rücken, er trank aus einem Glas von der falschen Seite, ich gab ihm seinen Kontoauszug, damit er sehen konnte, wie weit sein Konto überzogen war. Ich dachte, es sei ein Notfall, aber die Frau am anderen Ende war ziemlich kurz angebunden. Diesmal war es anders. Ich wurde ernst genommen, man sagte mir, ich solle Mam in die stabile Seitenlage bringen (was immer das ist), und sie versicherten, dass der Krankenwagen auf dem Weg sei. Während wir warteten, hielt ich Mams Hand und bat sie, nicht zu sterben.
    »Ich hätte Lust dazu«, keuchte sie. »Das geschähe deinem Vater recht.«
    Das Schlimme war, dass ich keine Telefonnummer von Dad hatte. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass er mir die Nummer von Colette mit dem harten Gesicht gab, für Notfälle, aber ich war zu stolz, ihn zu bitten. Mam keuchte und rang nach Atem – es war ganz schrecklich, du kannst dir das nicht vorstellen – und ich konnte nicht fassen, dass ich solches Pech hatte. Stell dir vor! Beide Eltern in einer Woche zu verlieren. Und in meinem Horoskop in der Sonntagszeitung stand nichts davon.
    In diesen Minuten wünschte ich mir, dass wir damals, als wir jeden Herbst Abendkurse belegten (zu denen wir nach drei Wochen nicht mehr gingen), Erste Hilfe genommen hätten, statt Yoga oder Spanisch. Vielleicht hätte ich etwas gelernt, was meiner Mutter das Leben hätte retten können.
    Ich hatte eine vage Erinnerung, die was mit Aspirin zu tun hatte – irgendwie spielte das eine wichtige Rolle bei Herzinfarktopfern. Entweder sollte man unbedingt Aspirin geben, oder man sollte es auf keinen Fall geben …
    Dann hörte ich den Krankenwagen, er kam näher, und ich sah durch die Schlafzimmervorhänge das Blaulicht. Ich rannte nach unten,

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