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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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besser an die Kandare nehmen. Ich kann Ungeduld mit einem Trommelwirbel auf der Tischplatte signalisieren, und ich kann eine Besprechung mit abschließendem Stakkato beenden.
    Inzwischen bin ich regelrecht abhängig von meinen Nägeln. Ohne sie bin ich wie Samson ohne seine Haare, ich fühle mich nackt und machtlos. Ich lache auch nicht mehr mit, wenn andere sich über Frauen lustig machen, die einen abgebrochenen Nagel als Katastrophe betrachten, denn ein abgebrochener Nagel ist für mich so schlimm wie Kryptonit für Superman.
    Zum ersten Mal in meinem Leben kaufte ich Nagellack. Bis dahin hatte ich mich in dieser Beziehung als Außenseiterin betrachtet, aber mittlerweile habe ich aufgeholt und besitze eine ziemlich große Sammlung von Nagellacken. Deckende und klare, metallische und glitzernde und schimmernde.
    Nur wenn ich Ärger im Büro habe, bin ich aufgeschmissen, denn ich kann jetzt nicht mehr an den Nägeln kauen. Vielleicht muss ich mir falsche Fingernägel zum Knabbern besorgen, so wie Leute falsche Zigaretten kaufen, wenn sie mit dem Rauchen aufgehört haben.
    Oder ich könnte anfangen zu rauchen.
     
     
    Als der Mann mit den Glückspillen wieder hervorkam, hatte ich mir einen Nagellack ausgesucht: eine milchig-cremige Farbe, so wie der Januarhimmel, nur dass die Farbe am Januarhimmel scheußlich aussah, aber als Nagellack recht interessant und eigentlich ganz schick wirkte.
    »Ein hübscher, freundlicher Ton«, sagte er.
    Ich fand diese Bemerkung seltsam, erstens für einen Mann, und außerdem, weil es nicht stimmte. Aber als er anfing, mir Anweisungen zu geben – »Nehmen Sie die Antidepressiva einmal am Tag, wenn Sie sie einen Tag vergessen, nehmen Sie am nächsten Tag nicht die doppelte Menge, sondern machen Sie normal weiter. Nehmen Sie die Beruhigungspillen nur im Notfall, sie machen süchtig« –, fiel mir ein, dass er am Mittwoch gedacht hatte, das Beruhigungsmittel sei für mich. Anscheinend dachte er auch, dass diese Pillen für mich seien, und ich wusste nicht recht, wie ich ihm sagen sollte, dass sie für meine Mutter waren.
    »Ehm, danke.«
    »Passen Sie gut auf sich auf«, rief er hinter mir her.
     
    Als ich wieder bei Mam war, wuchs meine Nervosität. Ich musste nach Hause gehen. Ich musste
Wäsche waschen,
meinen Müll rausstellen,
meine Rechnungen bezahlen,
meinen Videorecorder auf I love 1988 programmieren.
    Und in der großen weiten Welt musste ich
     
    1. ein Geburtstagsgeschenk für Cody kaufen,
    2. schicke Strumpfhosen für Davinias Hochzeit kaufen (bei der ich als Gast auftreten würde, obwohl ich arbeitete). (Eigentlich sollte ich eine Bekleidungspauschale bekommen, ich musste so viele schicke Sachen für meine Arbeit kaufen. Hüte und Cocktailkleider und so.),
    3. mir die Nägel machen lassen.
     
    Kaum war ich aufgestanden, schien sich meine Zielstrebigkeit Mam mitgeteilt haben, denn sie fragte ängstlich: »Wohin gehst du?«
    »Ich muss nach Hause, Mam. Ich muss meine Wäsche machen und …«
    »Wie lange bist du weg?«
    »Ein paar Stunden, und …«
    »Also kannst du so um drei wieder hier sein. Oder, warum bringst du deine Wäsche nicht hierher, und ich mache sie für dich?«
    »Das ist doch nicht nötig.«
    »Ich mache sie bestimmt besser.«
    »Ja, aber ich habe noch andere Sachen zu erledigen.«
    »Und was ist mit mir? Willst du mich etwa ganz allein lassen?«
    Ich fuhr, aber die Sorge lag mir im Magen wie ein Sack Steine. Es musste andere Menschen geben, die sich um sie kümmern konnten, aber als ich die Möglichkeiten durchging, war es nicht sehr ergiebig.
     
    1. Geschwister? Keine.
    2. Fürsorglicher und liebevoller Ehemann? Keiner.
    3. Mams Geschwister? Keine. Mam war auch ein Einzelkind, wie ich. Eine Familienähnlichkeit.
    4. Dads Geschwister? Muss ich überprüfen. Zwei Schwestern – aber eine lebte in Rhode Island und die andere in Inverness – und ein Bruder, Onkel Leo, der vor gut sieben Monaten an einem Herzinfarkt gestorben war, als er einen neuen Bohraufsatz für seinen Bohrer kaufen wollte. Der Schock war furchtbar und wurde noch schlimmer dadurch, dass seine Frau Margot, eine von Mams besten Freundinnen, fünf Wochen später auch starb. An gebrochenem Herzen, könnte man denken. Aber sie hatte an einem regennassen Abend eine Kurve zu schnell genommen und war gegen eine Mauer geprallt. Es war entsetzlich, besonders so kurz nach Onkel Leo. Margot war ein echter Spaßvogel, und obwohl ich sie nur bei Hochzeiten, zu Weihnachten und anderen

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