Neue Schuhe zum Dessert
gebracht werden müssen. Davinia war da anders. Sie rief mich nicht mitten in der Nacht an und kreischte, dass ihr Rollkragenpullover den falschen Schwarzton oder sie einen Herpes hatte und ich etwas dagegen tun müsste.
Gegen acht Uhr am Freitagabend waren Andrea und ich fertig. Kaum war sie gegangen – dankbar für die Tüte mit Schokoriegeln, die ich ihr mitgab –, da kam Mam mit einer Einkaufsliste und schickte mich zum Supermarkt, um für die nächste Woche einzukaufen. Sie kam nicht mit, denn jedes Mal, wenn ich anregte, dass sie sich anziehen solle, zog sie ihren Bademantel, der zunehmend schmuddeliger wurde, fester um sich und wimmerte: »Zwing mich nicht.« Als ich meine Einkäufe auspackte, beklagte Mam sich, dass ich die falschen Sachen gekauft hätte. »Warum hast du diese Butter gebracht?«, fragte sie verstört, so verstört wie an dem Morgen, als ich das Haus nicht abgeschlossen hatte. »Das ist nicht das Brot, das wir sonst kaufen. Und wir nehmen nie die Marken-Cornflakes, wir kaufen immer die No-Name-Sachen. Das Geld zum Fenster rauswerfen …«, murmelte sie.
Bevor ich zu Bett ging, musste das Haus verriegelt werden: Ich prüfte die Fenster, schob die Riegel vor, hängte die Ketten ein und sicherte das Haus entsprechend Mams Vorstellungen. Als ich ins Bett ging, war ich erschöpft – und ein bisschen tat ich mir auch selbst Leid. Es war Freitagabend, ich hätte mich draußen amüsieren sollen, statt zu Hause zu sitzen und den Babysitter für meine Mam zu spielen. Wie sehr ich mir wünschte, dass Dad nach Hause kommen würde!
Ich war so unglücklich, dass ich nicht einschlafen konnte, also flüchtete ich mich in eine meiner Fantasien. Mir Geschichten auszudenken, in denen abtrünnige Liebhaber zurückkommen und Feinde vernichtet werden, ist einer meiner Partytricks. Dafür habe ich mir einen ziemlich guten Ruf erworben, besonders unter Codys Freunden, und manchmal bitten mich Leute, die mich gerade erst kennen gelernt haben, ihnen so ein Kunststück vorzuführen.
Es geht so: Jemand skizziert kurz sein Unglück. Zum Beipiel: Der Freund einer Frau wurde bei Brown Thomas gesehen, wo er sich eine Burberry-Handtasche als Geschenk verpacken ließ. Natürlich dachte die Frau, die Tasche sei für sie, und ging schnurstracks, um sich die dazu passenden Sandalen zu kaufen. Aber bei der nächsten Verabredung beendet der Mann die Beziehung … ohne den Schlag durch das Geschenk der Tasche zu mildern. Offensichtlich hatte er eine andere kennen gelernt!
Ich lasse mir noch ein paar Einzelheiten sagen, zum Beispiel, wie lange die Beziehung bestanden hat, wie viel die Tasche gekostet hat, dann denke ich einen Moment lang nach und erzähle Folgendes: »Also gut, stell dir vor: Es ist drei Monate später, du triffst ihn zufällig, und zum Glück siehst du fantastisch aus …« Pause, um Frisur und Kleidung zu planen – ja, sie könnte die Hose mit den Pastellstreifen tragen, die in Vogue abgebildet ist, sie würde zu dem Top mit tiefem Ausschnitt passen. Gut, hoch geschlossenes Top, wenn es ihr lieber ist. Und natürlich die neuesten Stiefel, klar – dann fahre ich fort: »Die Burberry-Handtaschen sind runtergesetzt worden, und du hast dir zwei gekauft. Nein, warte, du hast keine Burberry-Tasche gekauft, wer will schon eine Handtasche, die keiner will. Nein, du hast eine Prämie bekommen und dir eine Orla-Kiely-Tasche gekauft, für die es eine Warteliste gibt, außerdem bist du gerade aus dem Urlaub zurück, du hattest eine leichte Gelbsucht, deswegen bist du wunderbar schlank und außerdem schön braun. Sein Auto ist gerade abgeschleppt worden, es gießt wie aus Kübeln, und jemand ist mit einem seiner Schuhe abgehauen.« Etc., etc.
Die Leute mögen meine Liebe zum Detail, und als Anton mit Lily abgehauen ist, war es ein Fall von Selbstheilung für den Fantasten.
Ich tröstete mich mit der Vorstellung von einer Flucht in eine entlegene, ländliche Groschenromanidylle. Natürlich am Meer, an einem tosenden Meer mit hohen Wellen und Brandung und Gischt und allem Drum und Dran. Dort wohnte ich allein, machte lange, einsame Spaziergänge am Strand oder auf den Klippen, und wie ich so düster dahinstapfte, erspähte mich ein Prachtbild von einem Bauern, dem ich, obwohl ich mir ewig nicht die Haare nachgefärbt hatte, irgendwie gefiel. Natürlich war er nicht einfach nur Bauer, er war Filmregisseur oder Unternehmer, der seine erfolgreiche Firma für Millionen verkauft hatte. Mir haftete eine ätherische,
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