neue SF 1
eigentlich nichts mehr. Sie ist wertlos. Tatsächlich will ich sie eines Tages fortwerfen. Was mich betrifft, spielt sie keine besondere Rolle mehr. Sie reduziert Prestige und Ruhm auf einen Stecknadelkopf. Sie ist ein Symbol, Ich sperre sie ins Symbolzimmer und lasse sie dort. Zunächst halte ich aber das kleine Rotkehlchen auf dem Finger.
Zwei Probleme beschäftigen mich zur Zeit. Über das eine darf ich natürlich nicht sprechen. Das andere betrifft den Bauernwein. Er wird tatsächlich von der Landbevölkerung hier gemacht und schmeckt scheußlich. Viel zu teuer. Ich muß da etwas unternehmen.
In den alten Tagen war der Wein billig. Aber die Bauern jener Zeit (im Gegensatz zu den Mutanten von heute) waren ihren Göttern gegenüber nicht annähernd so loyal wie meine Bauern mir heute loyal sind. Damals hatten sie einen Gott, der eigentlich gar nicht wußte, daß er ein Gott war, weil der Gott in ihm nicht als eine Einheit existierte, sondern in kleinen Bruchstücken. Viele Kirchen waren voller murmelnder Gemeinden, die einfach nicht bei der Sache waren. Ich habe nicht das geringste Mitleid mit ihnen.
Der Gott, mit dem sie eifrig Geld machten, war ein Gott aus ihrer Kinderwelt. Er war ein Gott aus berühmten Persönlichkeiten. Große Geschäftsverbände. Fahrzeuge und solche Sachen, die da plötzlich in die Höhe schießen und zurückfallen. Tatsächlich war ich versucht, ihren Gott die Mächtige Erektion zu nennen. Eine gute Idee, will mir scheinen.
Das Problem war nur, daß sie tatsächlich einen Gott hatten. Einen sehr schwierigen Gott, der aber vielleicht gut war für damals. Aber sie hatten keinen Ort, ihn anzubeten, was mir sehr dumm vorkommt – eine Glaskirche geht doch immer wieder zu Bruch. Immerhin, trotz der Discjockey-Priester, die die Sache hinbiegen wollten, war ihr Wein gut, wie man hört, und er war billig.
Später gab es so schlechte Zeiten für die Alten, daß sie keine E NERGIE mehr hatten. Nachdem sie ihre Kindheit endgültig hinter sich gelassen hatten, stiegen sie die Leiter nicht hinauf, sondern fielen zwischen den Sprossen hindurch. Ihnen fehlte der Sinn für das Abenteuer. Sie nutzten ihr Köpfchen nicht. Wohin sie auch schauten, sahen sie politische Scheiße. Wann immer sie sich bückten, wurden sie geschnappt. Wohin sie sich auch wandten, stets fanden sie sich am Ausgangspunkt wieder.
Wenn sie in einen Busch schauten, sahen sie, daß sich dort schon ein kommerzieller Säufer übergeben hatte. Wenn sie näher hinschauten, erblickten sie ihr eigenes Gesicht. Wenn sie dann in eine Kirche sahen, bekamen sie die Hände auf dem Rücken gefesselt und wurden in die Knie gezwungen. Wenn sie sonstwohin schauten, waren ihnen die Hände gebunden. Und zu allem Übel schauten sie oft auch in das wirkliche Gekröse der Welt und fuhren herum und erbrachen sich – sie konnten es nicht ertragen. Sie waren nicht daran gewöhnt. Wohin sie auch blickten – überall hatte ihnen jemand in den Weg geschissen. Die einzig mögliche Folge all dessen ist mir klar. Es kam eine Zeit, da sich Menschen und Dinge gegenseitig vollschissen. Dann wurden die Raketen gerufen. Und ich habe das Erbe angetreten.
Soweit ich schauen kann, in jeder Richtung, nichts anderes. Unrat. Meilenweit. Das Rotkehlchen hier ist vermutlich der letzte Strohhalm. Ich werde es umbringen und vielleicht den Unrat loswerden.
Ich bin König von England im Jahre 2030, und keiner kann mir.
Mr. Zero
Die Wüsten sind jetzt sehr kalt. Was nicht weiter überraschend ist, wenn man bedenkt, daß es keine Wolken, keine Sonne gibt. Und die Erde ist entvölkert. Über Nacht. Man könnte sagen, die Menschen aller Nationen faßten den Entschluß, Passagiere zu werden, und nahmen den Nachtzug, der pünktlich auf Bahnsteig Zero ankam. Bei der Ankunft zertrampelten sie die sorgsam gepflegten Blumenbeete und zerstörten den Bahnhof in ihrem Bemühen fortzukommen.
Mr. Zero, so hieß es, ist ein Mann der frostigen, eisigen Natur. Zum Beispiel jätete er regelmäßig seinen Bahnhofsgarten, auch während der Katastrophe, in aller Ruhe, ohne sich im geringsten von den Schockwellen vom Himmel stören zu lassen. Irgendwie wäre mir lieber, wenn sich Mr. Zero seine Gartenphobie für eine frühere Zeit bewahrt hätte, für ein Zeitalter, das ich nicht kenne. Ignoranterweise kenne ich nur dieses Zeitalter – oder besser: das letzte Zeitalter – einigermaßen gut. Das letzte Zeitalter war die Eiskremzeit, schnell zerschmolzen, und unterschied sich von
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