Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
nicht, was ich ihm angetan habe, dachte Frank, er kneift nicht nur, er macht auch noch einen auf Mitleid! »Ich meine die Sache ernst«, fuhr der Standortpfarrer fort, »ich bin hier nicht zu Ihrer Belustigung. Und es wird noch manchen unter Ihnen geben, der es bitter nötig haben wird, sich einmal auszusprechen. Sie sind da vielleicht anders, für Sie ist das vielleicht alles ein Spaß, aber Sie sollten auch mal ein bißchen genauer darüber nachdenken, worüber Sie sich lustig machen, denn das könnte vielleicht eines Tages einen Ihrer Kameraden davon abhalten, bei einem Trost zu suchen, der genau dafür da ist.«
»Und das sind Sie?« sagte Frank, der jetzt keine Lust mehr hatte, und er merkte, daß der höhnische Unterton, den er bei dieser Frage nicht verhindern konnte, bei seinen Kameraden nicht gut ankam, er kneift zwar, aber das merke nur ich, dachte er, der Mann ist geschickt, der läßt sich nicht festnageln.
»Das bin ich«, sagte der Standortpfarrer. »Oder jedenfalls bin ich einer von denen. Und ich hoffe sehr für Sie, daß es Ihnen immer so gut gehen mag, daß Sie mich nicht brauchen. Aber ich bin trotzdem auch für Sie da, jederzeit.«
»Das war ja gerade eben die Frage, das mit dem jederzeit«, konnte Frank sich nicht verkneifen noch einmal nachzuhaken, aber nun kam unter seinen Kameraden eine genervte Unruhe auf, sie scharrten wieder mit den Füßen und rückten auf ihren Stühlen hin und her und Frank merkte, daß die Stimmung gegen ihn zu kippen drohte, und beschloß, ab jetzt die Klappe zu halten. Es ist aber keine Niederlage, versicherte er sich zur Selbstberuhigung, was kann ich dafür, wenn der Heini kneift, dachte er.
»Über solche Spitzfindigkeiten können wir gerne einmal in
Ruhe diskutieren, wenn Sie in meinen Gesprächskreis kommen«, leitete unterdessen der Standortpfarrer gnädig zu einem anderen Thema über und ließ sich lang und breit über einen Gesprächskreis aus, zu dem er sie an jedem Mittwochabend herzlich einlud, und damit war Frank raus aus der Sache, wiewohl es ihn wurmte, daß der Mann »Spitzfindigkeiten« gesagt hatte, er kneift nicht nur, dachte Frank, er hat nicht nur das letzte Wort, er tritt auch noch nach, und außerdem hat er das Problem nicht begriffen und ist auch noch stolz drauf, dachte er. Leppert, der die ganze Zeit über immer weiter Zigaretten gedreht hatte, verstaute sie nun in seiner Tabakpackung, und Frank sah ihm interessiert dabei zu, um sich von seinem Ärger über den Pfarrer und sich selbst abzulenken, und als Leppert das bemerkte, grinste er, holte drei Zigaretten aus der Packung wieder heraus und hielt sie ihm hin. Frank steckte sie in seine Brusttasche. Man sollte vielleicht wirklich mal ernsthaft mit dem Rauchen anfangen, dachte er, Leppert macht es richtig, der kümmert sich um die wirklich wichtigen Dinge!
Irgendwann hörte der Pfarrer dann doch noch auf zu reden, segnete sie alle noch einmal auf seine halbherzige Art und ging. Dafür trat nun ein Hauptfeldwebel vor sie hin, ein gemütlicher älterer Mann mit nur noch wenigen grauen Haaren auf einem großen fleischigen Kopf. Frank kannte ihn nur flüchtig, er gehörte zum 2. Zug. Er trug eine Pappschachtel unter dem Arm und hielt sich nicht lange mit Vorreden auf.
»So, Leute«, sagte er fröhlich, »jetzt kommt euer großer Moment, jetzt wählt ihr mal schön den Vertrauensmann. Ihr wißt ja alle, was der Vertrauensmann ist, das ist euch ja schon bei >Rechte und Pflichten des Soldaten< alles erklärt worden, nur soviel, es ist euer wichtigster Mann, er vertritt die Interessen der Mannschaftsdienstgrade in der Kompanie, er vermittelt, wenn es sein muß, zwischen euch und euren
Vorgesetzten oder, wie es in den Vorschriften heißt, hat die Aufgabe, für ein gutes Verhältnis zwischen Mannschaften und Dienstgraden zu sorgen oder wie auch immer das da genau heißt, was weiß ich denn, ich will es kurz machen, ich will hier eine schöne, freie, geheime Wahl, und vorher will ich eine schöne, freie, lebhafte Diskussion von euch, das ist jetzt eure Sache, da misch ich mich nicht lange ein, wer macht den Versammlungsleiter?«
Er schaute aufmunternd in die Runde. Niemand meldete sich, Köpfe wurden schamhaft gesenkt, Füße scharrten, alle, so schien es, legten besonderen Wert darauf, in diesem Moment nicht aufzufallen.
»Leute, das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um schüchtern zu sein, hier geht es um euren Mann, hier brauchen wir Eigeninitiative, guckt nicht mich an, guckt euch
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