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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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Stich lassen?«
    »Ich will überhaupt niemanden im Stich lassen«, rief Frank, dem langsam die Panik kam, jetzt nicht auch noch das, dachte er, jetzt nicht auch noch Vertrauensmann, ich brauche ein Argument, dachte er, dringend, und irgendein gutes dazu. »Ich will überhaupt niemanden im Stich lassen«, wiederholte er, um Zeit zu schinden, »aber wenn das hier ordnungsgemäß abläuft«, entwickelte er eine erste Verteidigungslinie, »dann gibt es nicht nur ein passives und ein aktives Wahlrecht, sondern auch so etwas wie das Recht, nicht gewählt zu werden, sonst ergibt das doch überhaupt keinen Sinn. Letztendlich«, strickte er diesen Gedanken aus dem Stegreif weiter fort, ich muß sie verwirren, dachte er, so verwirren, daß sie mich für einen Spinner halten, für blöd und sowas, sonst ist alles verloren, sonst wählen sie mich, »letztendlich hätten wir auch eigentlich das verdammte Recht, überhaupt keinen Vertrauensmann zu wählen, niemand kann uns zwingen, einen zu wählen, der für ein gutes Verhältnis zwischen Mannschaften und Dienstgraden sorgt, das ergibt auch überhaupt keinen Sinn, weil wir erstens nicht freiwillig hier sind und weil es, wenn man schon von morgens vorm Frühstück bis spät in die Nacht von seinen Vorgesetzten angeschrien und schikaniert wird, sowieso nicht möglich ist, für ein gutes Verhältnis zwischen uns und den Vorgesetzten zu sorgen, weil es nämlich zwischen Leuten, die mich anschreien, und mir, der ich mir das gezwungenermaßen, weil einer Dienstpflicht unterworfen, gefallen lassen muß, nicht, äh …«, er merkte, daß ihm dieser komplizierte Satz in die Binsen ging und kam schnell zum Ende, »… und so weiter und jedenfalls deshalb der ganze Kram mit Vertrauensmann totaler Quatsch ist.«
    Das Gejohle war groß, die Begeisterung schlug Wellen, der ganze Saal war aus dem Häuschen, die Rekruten johlten, klatschten, trampelten mit den Füßen, riefen »genau« und »Wahnsinn«, der Hauptfeldwebel lächelte und nickte zufrieden, und Schmidt hob wieder die Hand und rief in den Tumult hinein »Mein Vorschlag! Mein Vorschlag!«, was Frank, der Schmidt, so gern er ihn eigentlich mochte, in diesem Moment mit Vergnügen ordentlich was auf die
    Schnauze gehauen hätte, extrem absurd und sinnlos fand, und dann riefen andere »Lehmann, Lehmann«, und Frank wußte, daß er, wenn er es nicht mit allen seinen Kameraden außer vielleicht Leppert, der als einziger völlig unbeteiligt wirkte und eine Zigarette in seinen Händen hin- und herwendete, verscherzen wollte, wohl oder übel zur Wahl antreten mußte.
    Kranich stand, nachdem sich der Tumult ein wenig gelegt hatte, auf und schrieb »Kranich« und »Lehmann« an die Tafel, und Frank versuchte sich dadurch ein bißchen zu rächen, daß er Schmidt auch noch vorschlug, und dann fragte der Hauptfeldwebel, ob Schmidt und Kranich nicht auch noch eine kleine Wahlrede halten wollten, aber sie wollten nicht, worauf der Hauptfeld sie ermahnte, sich gefälligst mal ein Beispiel an Kamerad Lehmann zu nehmen, der hätte wenigstens ein bißchen Mumm in den Knochen, was die Sache in Franks Augen nur noch peinlicher machte, aber jetzt ließ er sich nicht mehr provozieren, er sagte gar nichts mehr, es nützte ja doch alles nichts, und dann wurden die Stimmzettel verteilt, und er ging mit zweiundachtzig Stimmen als Sieger durchs Ziel, gegen siebzehn Stimmen für Kranich und zwei Stimmen für Schmidt.
    »Ich will’s kurz machen«, sagte der Hauptfeld zum Ende der Veranstaltung, »ich bin stolz auf euch, Männer, ihr habt, glaube ich, eine gute Wahl getroffen, und ihr habt euch auch mal ein bißchen Luft gemacht, das ist prima, eine kernige Sache ist das, es muß ja auch mal ein bißchen Leben in die Bude kommen, es müssen auch mal ein paar kräftige Worte fallen, wir werfen hier nicht mit Wattebäuschen, wir sind hier ja nicht in der schwulen Kompanie! Und jetzt, Leute: Alle auf und zurück in die Kompanie. Und daß mir keiner trödelt«, fügte er hinzu und drohte dabei lächelnd mit dem Zeigefinger.
    Also standen alle auf, und Hoppe, Schmidt und Hartmann klopften im Hinausgehen Frank auf die Schulter, und
    Schmidt, der keine Ahnung zu haben schien, was er Frank angetan hatte, sagte: »Mann, wir haben den Vertrauensmann auf unserer Stube, jetzt können die uns gar nichts mehr«, und das war für Frank eine so rührende, unschuldige und naive Bemerkung, daß er Schmidt gar nicht mehr richtig böse sein konnte.
    »Würde ich mich nicht drauf

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