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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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Standortpfarrer.
    »Herr Pionier, worauf wollen Sie hinaus?« sagte der.
    Die Köpfe drehten sich zurück zu Frank, der jetzt schon bereute, damit angefangen zu haben.
    »Ja nun, das ist doch wichtig«, sagte er. »Heißt jederzeit nun, daß ich dann einfach so gehen kann, oder muß ich warten, bis Mittag ist oder so.«
    Der Standortpfarrer zögerte mit seiner Antwort. Er schaute Frank forschend an und kniff dabei die Augen zusammen
    wie ein Kurzsichtiger.
    »Ich rede hier nicht über irgendeinen Schabernack, Herr Pionier … wie ist Ihr Name?«
    »Lehmann.«
    »… Lehmann, hier geht es um existentielle Nöte. Aber bitte, wenn Sie mich so fragen: Im Prinzip ja. Im Prinzip können Sie jederzeit zu mir kommen. Und ich bitte Sie auch wirklich, das zu tun, wenn Sie Beistand brauchen. Aber vielleicht wollten Sie das gar nicht hören. Vielleicht wollten Sie sich nur ein bißchen lustig machen, nicht wahr?«
    Die Kameraden sahen jetzt wieder zu Frank, und Frank ging ihre Köpfedreherei mittlerweile gehörig auf die Nerven, es ist wie bei einem bescheuerten Tennisspiel, dachte er, aber der Standortpfarrer ging ihm noch mehr auf die Nerven als seine Kameraden, und er war überhaupt nicht bereit, hier den Rückzug anzutreten.
    »Wollte ich nicht«, sagte er. »Wollte ich wissen.«
    »Dann ist ja gut«, sagte der Standortpfarrer.
    »Ja«, sagte Frank, der keine Lust hatte, es darauf beruhen zu lassen. »Muß man ja wissen«, nahm er den Faden wieder auf, »ist ja nicht so einfach. Wenn ich also dann mitten im Gelände bin, und plötzlich habe ich das Bedürfnis, zu Ihnen zu gehen, dann kann ich einfach abhauen, oder was.«
    Der Pfarrer seufzte. »Wieso sollten Sie gerade mitten im Gelände ein Problem haben, das Sie mit mir besprechen müssen, und das so dringend, daß sie sofort gehen müssen statt eben noch ein bißchen zu warten?«
    »Ja sicher«, sagte Frank, »das ist natürlich die Frage. Was ist der richtige Zeitpunkt, ein Problem zu haben? Wer kann das wissen? Ich weiß es nicht, deshalb frage ich ja. Und außerdem weiß ich auch nicht, was die angemessene Wartezeit ist, wenn man ein dringendes seelisches Problem hat, das mit Ihnen besprochen werden muß, wie lange also kann oder muß oder sollte man sich innerlich auf später vertrösten, wenn das Problem aufkommt. Und wer entscheidet darüber?«
    Jetzt kam etwas Unruhe auf, einige seiner Kameraden schauten zurück zum Standortpfarrer, um zu sehen, was er dem entgegenzusetzen hatte, andere schauten weiter nachdenklich auf Frank, manche grinsten dabei, manche kratzten sich nachdenklich am Kopf, und irgendwo rief sogar einer leise »Genau!«.
    »Wollen Sie mir nicht einfach sagen, worauf Sie hinauswollen?« sagte der Standortpfarrer sanft.
    Er kneift, dachte Frank. »Nun«, sagte er, »das ist doch ein interessantes Problem: Der Begriff jederzeit ist eindeutig. Wenn Sie sagen, daß ich mich jederzeit abmelden kann, um zu Ihnen zu gehen, weil ich in seelischen Nöten oder sowas bin, und wenn es gleichzeitig so ist, daß diese seelischen Nöte ebenfalls jederzeit auftreten können, dann könnte ich doch im Gelände, wenn ich bei der niedrigsten Gangart oder wobei auch immer in seelische Nöte komme, im Prinzip aufstehen, mich abmelden und zu Ihnen kommen. Immerhin sagen Sie, das sei unser Recht, und wenn es unser Recht ist, dann muß das doch geregelt sein. Ist es denn eines der Rechte, wie sie auch bei >Rechte und Pflichten des Soldaten< durchgenommen wurden, ich meine, ein gesetzlich verbrieftes Recht, oder ist es nur ein Gewohnheitsrecht, und die konkrete Ausführung ist dann dem Gutdünken des jeweils entscheidenden Vorgesetzten überlassen?«
    Der Standortpfarrer schaute ihn schweigend an. Das ging ziemlich lange so, und Frank war zwar einerseits gespannt auf seine Antwort, andererseits aber war er jetzt auch schon langsam peinlich davon berührt, daß er sich dazu hatte hinreißen lassen, sich vor so vielen Leuten zu exponieren. Das ist das Falscheste, was man machen kann, daß man hier auffällt, dachte er, man muß in Deckung bleiben, Stellung, Deckung, dachte er, sich der Geländeübungen mit Fahnenjunker Tietz erinnernd, Deckung ist besser als Stellung, dachte er, ich hätte den Quatschkopf einfach reden lassen sollen.
    »Sie sollten sich über diese Dinge nicht lustig machen«, sagte der Standortpfarrer schließlich, und es lag eine gewisse Traurigkeit in seiner Stimme, von der Frank sich fragte, wo er sie plötzlich herholte, so schlimm war es ja nun auch

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