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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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so, daß sie es nicht mögen, wenn man ihnen direkt in die Augen starrt, dachte Frank, wahrscheinlich ist ihnen das zu intim, aber andererseits wollen sie natürlich auch nicht, daß man woanders hinguckt, ist ja klar, dachte er, oder Leutnant Beierlein wollte einfach nur einen guten Rat in unserem Sinne geben, dachte Frank, manchmal kam ihm Leutnant Beierlein vor wie einer, der sowas tat, so schwer das auch zu glauben war. Er versuchte, das jetzt einmal auszuprobieren, er sah Fahnenjunker Tietz an, stellte aber zugleich die Augen unscharf, das muß die Idee dabei sein, dachte er, daß man einen Punkt dahinter fixiert, daß man, was den Vorgesetzten betrifft, die Augen unscharfstellt, auf diese Weise bekommt das Bild des Vorgesetzten eine Art Weichzeichner, dachte er, da müßte man auch mal drüber nachdenken, was das zu bedeuten hat.
    »Jetzt nehmen Sie sich die Tarnung ab, gehen in die Kompanie und sehen zu, daß Sie einigermaßen anständig vor den Hauptmann treten«, sagte unterdessen der Fahnenjunker, »daß Sie mir da keine Schande machen, Lehmann. Putzen Sie sich auch ein bißchen die Stiefel ab. Gleich ist sowieso Mittag, da brauchen Sie nicht wieder rauszukommen. Und waschen Sie sich die Tarnung vom Gesicht.«
    Die Frage ist doch, dachte Frank, während der Fahnenjunker sprach, ob das auch für den Vorgesetzten einen Unterschied macht oder ob es nur für den Untergebenen die Sache erleichtert, ob es also dem Vorgesetzten nicht dahingehend dient, daß er sich vom Untergebenen nicht angestarrt fühlt, ob also eher er, der Vorgesetzte, oder eher der Untergebene davon profitiert, daß der Untergebene einen Punkt hinter dem Vorgesetzten fixiert, das ist wahrscheinlich die Frage, die man beantworten muß, dachte er, dann wüßte man auch mehr über Leutnant Beierleins Motive, soviel ist mal klar.
    »Hören Sie nicht, was ich sage?«
    Andererseits, und daran denkt mal wieder keiner, dachte er, kann das auch ungesund sein, das ist vielleicht so wie als Kind, wo man absichtlich geschielt hat, um die anderen zu erschrecken, dachte er, und dann bekommt man einen Augenschaden, und dann ist das auch wieder gegen die Vorschriften, dachte er, denn er erinnerte sich noch genau, wie der Stabsarzt ihnen in einem Vortrag einmal eindringlich klargemacht hatte, daß es ihre Pflicht als Soldaten sei, ihre Gesundheit zu erhalten, das ist dann vielleicht ein Widerspruch, den es aufzudecken gilt, dachte er, und diesen Gedanken fand er erheiternd, er hatte Mühe, nicht loszu-kichern.
    »Lehmann! Lehmann! Ist da jemand? Geht’s Ihnen nicht gut, oder was? Hat der einen Sonnenstich, oder was?«
    Fahnenjunker Tietz wedelte mit einer Hand vor Franks Augen herum. »Kommen Sie zu sich, Lehmann.«
    Frank kam zu sich. »Was ist?«
    Fahnenjunker Tietz seufzte. »Haben Sie mitbekommen, was ich gesagt habe?«
    »Nein, Herr Fahnenjunker«, sagte Frank, der sich ein bißchen wunderte, daß der Fahnenjunker jetzt nicht herumbrüllte, er wird müde, dachte er, er sollte auch mal ein bißchen abschalten, dachte er, das würde ihm guttun, und er hätte gerne darüber nachgedacht, wie man das besser steuern konnte, denn in der Fähigkeit, jederzeit abschalten zu können, schien ihm ein Ausweg zu liegen, der es wert war, gefunden zu werden, aber nicht jetzt, dachte er, denn jetzt begann Fahnenjunkter Tietz ihm alles noch einmal zu erklären, und er wußte, daß es besser war, diesmal genau aufzupassen.
    Kurze Zeit später machte Frank sich auf den Weg zur Kompanie und befreite sich dabei von den Zweigen, Blättern und Blumen, die er zur Tarnung in seine Kleidung gesteckt hatte. In der Kompanie lief er in den zweiten Stock, tat den Helm in seinen Spind und wusch sich Gesicht und Hände, bevor er runter ins Erdgeschoß zum Kompaniechef ging. Der Spieß winkte ihn mit den Worten »Soso, Sie sind das« gleich durch, »gehen Sie gleich rein, der Hauptmann wartet schon lange genug auf Sie«, sagte er, bevor Frank überhaupt grüßen und Meldung machen konnte, denn das hatte er vorgehabt, die Sache war ihm nicht geheuer, da wollte er keinen Anschiß riskieren, Fahnenjunker Tietz ist das eine, hatte er gedacht, bevor er das Zimmer des Spieß’ betreten hatte, bei dem kennt man sich aus, aber der Spieß und der Kompaniechef, das ist noch einmal eine andere Liga, hatte er gedacht, er war höchst beunruhigt gewesen, als er an die Tür des Spieß’ geklopft hatte, wer weiß, was die wollen, hatte er gedacht, aber jetzt, als der Spieß ihn, der er gerade

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