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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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Seiten von dicht an dicht stehenden Trompetenbäumen umgeben – soviel war deutlich zu sehen. Die höhlenartige Ausdehnung der oberen Bereiche blieb aber undeutlich, weil die belaubten Baumwipfel den Blick behinderten. Zum Teil schien das eine echte Höhle zu sein, mit Bögen aus Stein oder Erde über den Bäumen, aber die meisten dieser Bezirke wiesen unterschiedlich große Löcher auf, durch die ungebrochenes Sonnenlicht herabstrahlte. Dann kam der Bereich des durchscheinenden Flussbettes, das die Fluten durch die Mitte der Höhlen›decke‹ auf den fünfzig Metern zwischen den beiden senkrechten Zellplasmasäulen trug, auf denen das Gewicht des Stromes lastete.
    Sie fragte sich, ob es möglich wäre, zu einem Baumwipfel hinaufzuklettern und einen Greifhaken an einem Seil durch eines der Löcher in der Decke hinaufzuschleudern … als Ollie erwachte.
    »Als erstes wollen wir einmal klären, was diese Leute hier treiben«, sagte Jasmine.
    Sie fanden Symeau beim Kochen von Kreischereiern auf einer dünnen Steinplatte, die man auf die Glut gelegt hatte.
    »Hier ist Frühstück«, sagte Symeau lächelnd. »Kreischereier sind sehr gut.«
    »Davon bin ich überzeugt, Symeau«, gab Jasmine höflich zurück, »aber zuerst möchten wir mehr über eure kleine Siedlung erfahren. Erzähl uns von dem See und seinen Bewohnern.«
    Symeau zeigte ein Lächeln, das verriet, dass er nie zu hungrig war, um nicht vom See zu berichten.
    »Wir sind das Volk des Sees und leben schon immer hier. Der See ernährt uns, und wir ernähren den See. Der See schützt uns vor Bösem, vor Wind und Sturm. Hier sind Frieden und Wunder für alle, die am See hausen.«
    »Ihr seid also eine religiöse Gemeinschaft?«
    »Hier ist totale Gemeinschaft. Jeden Tag nährt der See sein Volk – hier allein gedeiht das Buhnagras, von dem die Kreischer fett werden. Jeden Tag nährt der Kreischer den Menschen. Und jeden Monat nährt der Kreischer und der Mensch den See. Der Kreislauf ist also vollständig.«
    »Und die Einhörner?«
    »Einhörner fressen den Farn und gieren nach dem Trompetenbaumlaub. Und der See liebt den Geschmack ihrer Hörner.«
    »Warum wollte der See uns haben?« fragte Ollie. »Warum hat er uns hinuntergezogen?«
    »Vieileau sagt, manchmal braucht der See dunkle Haut, um im Gleichgewicht zu bleiben. Vieileau sagt, der See braucht die Dunkelheit, um das Licht abzugeben. Seht: Hier ist Licht; dort ist Dunkel.« Symeau hielt seinen Arm neben den von Ollie. Es bestand ein deutlicher Gegensatz zwischen Symeaus Albinismus und der dunklen Bräune des Jungen.
    »Wo ist Vieileau jetzt?« fragte Jasmine.
    »In ihrer Hütte«, sagte Symeau. »Wollt ihr nun mit mir essen?« Er sah sie erwartungsvoll an.
    »Später, Symeau, danke. Wir gehen zuerst zu Vieileau.«
    Sie standen auf und gingen zur Hütte.
    »Was hatte das wohl zu bedeuten?« fragte Ollie.
    Jasmine zog die Schultern hoch.
    »Wer kann das sagen? Vielleicht braucht die Amöbe ab und zu etwas Melanin, damit die Zellfunktionen bestehen bleiben, und es ist zufällig so, dass die Zelle es nicht selbst herstellen kann. Möglicherweise fehlt irgendeine lebenswichtige Aminosäure. Vielleicht will das Ding dich wegen deines Melanins haben.«
    Ollie wusste wieder einmal nicht genau, wovon Jasmine sprach, hatte aber kein Interesse daran, gerade jetzt auf einer Erklärung zu bestehen. Er vermutete, dass der Punkt ohnehin nur von akademischem Interesse war; im Augenblick waren ihm andere Dinge wichtiger.
    Sie erreichten Vieileaus Hütte und traten ein. Die alte Frau saß wieder vor der Feuerglut. Die Hütte hatte kein Fenster, aber durch die Ritzen zwischen den Baumstämmen drang blaues Licht voll schwebender Stäubchen herein und warf ein Gitter von türkisfarbenen Strahlen auf den Boden und die alte Frau.
    »Vieileau«, sagte Jasmine. »Ich flehe dich an und warne dich: Lass uns gehen.«
    »Ich habe euch nicht geholt und kann euch nicht gehen lassen«, sagte das alte Weib mit schwankender Stimme. »Der See hat euch gebracht, weil er eure Dunkelheit schmecken muss, damit er weiß, was Dunkel ist.«
    »Nicht mich«, sagte Ollie. »Ich werde keine Nahrung für dein Wassertier sein.«
    »Du hast keine Wahl, Dunkler. Hier ist der See. Wohin kannst du gehen? Aber fürchte nichts – wir werden dir nicht weh tun, das ist nicht unsere Art. Aber wenn deine Zeit kommt – wenn das Auge des Stroms das Gesicht des Sees ganz erfasst –, dann musst du dich dem Wasser hingeben. Und wenn du es nicht selber tun

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