Neue Zeit und Welt
der ganzen Bucht umhergeworfen, bis Josh, als sie zum Mittelpunkt der Bucht flogen, mit einem Anflug von Hysterie in der Stimme rief: »Hört dieses Karussell nie auf?«
Kshro erwiderte leise: »Sei still, Mensch, und halt den Atem an.«
Josh gehorchte keine Sekunde zu früh, denn sie wurden auf der Stelle senkrecht in den stummen, grünen Ozean hinabgerissen. Kshro hielt Josh fest. Er klammerte sich mit den Armen an sie, den Kopf an ihrer Brust, getröstet von ihrer beruhigenden Kraft. Sie stürzten gemeinsam hinab, während das Sonnenlicht im kühlen Wasser immer stärker zerstreut wurde, bis sie mit der Zeit langsamer wurden, zum Stillstand kamen, schwerelos schwebten und endlich wieder hinaufglitten. Josh hob den Kopf. Kshro lächelte zu ihm hinunter.
Sie stiegen schneller und schneller und tauchten endlich an die Oberfläche, wo Josh nach Luft rang. Er schaute sich um und sah, dass sie genau dort im Wasser lagen, wo das Ganze begonnen hatte, nicht weit von dem Steinbaldachin am westlichen Inselende entfernt.
»Das Rad.« Kshro nickte feierlich. »Jetzt können wir uns zu Luashra begeben.«
Sie zog Josh unter den Überhang und in eine große, auf einer Seite offene Höhle – an beiden Seiten vom Meer gefüllt, überschwemmt von Sonnenlicht, das durch tausend Löcher in der Decke hereindrang. Die Wellen schlugen mit einem klatschenden, unaufhörlichen Echo an alle Grottenwände, während draußen die böigen Brisen wie ein Holzbläserorchester durch die Löcher in der Decke wehten und die Höhle mit der Musik der Zeit überfluteten.
In der Nähe einer Wand, auf einem Riementangfloß, lag ein alter Selkie zwischen zwei jüngeren. Kshro schwamm rasch auf sie zu, Josh hinter sich herziehend. Als Josh näher kam, sah er, dass hinter den Selkies ein Steingesims in Höhe des Wasserspiegels rund um die Höhle verlief, und auf diesem Rand reihten sich Schätze aneinander: Schatullen mit Edelsteinen, Truhen voller Münzen, überquellend, goldene Kelche – alles triefend nass, überspült von jeder Dünung, die über den Rand schwappte, schimmernd im Sonnenschein, der durch die poröse Gewölbedecke hereindrang.
Der Selkie in der Mitte war ein alter Mann. Er hatte lange Fingernägel, ein dünnes Fell, der Brustkorb war zu breit. In seinem Bart hing Tang. Und obwohl er müde wirkte, funkelte in seinen trüben Augen irgendwo der Schalk.
Kshro sprach ihn an.
»Großvater, das ist der Mensch, der mich aus dem Piratennetz befreite, bevor man mich schänden konnte. Ich bringe ihn dir. Chrodesh hat seine Beine zusammengebunden, weil sie gebrochen waren – und wenn es dir recht ist, bleibt er bei uns, bis er wieder gesund ist.«
Sie senkte den Kopf.
Der Alte sprach Josh an. Seine Stimme dröhnte wie eine unterirdische Geröllawine.
»Wie heißt du, Junge?«
Josh richtete sich im Wasser auf, so gut er konnte.
»Ich bin Joshua, Mensch und Schreiber.«
»Dann sei willkommen«, sagte der alte Selkie lächelnd. »Ich bin Luashra, der Alte, und liege im Sterben.« Als er das sagte, schlugen die anderen Selkies mit ihren Flossen leise das Wasser und senkten die Köpfe. Der Alte hob den Kopf. »Kshro ist die letzte meiner Familie. Meine Kinder, meine anderen Enkel – sie sind alle tot. Entführt von Piraten, hingerafft von Remora, gefressen von Nessies. Unsere Kolonie wird von Jahr zu Jahr kleiner. Wir sind ein verglühendes Juwel. Aber nun hast du uns einen unserer kostbarsten Edelsteine zurückgegeben, und sieh, ihr Glanz leuchtet in deiner Gegenwart!«
»Großvater!« sagte Kshro empört, aber Luashra lächelte nur.
»Takt ist ein Leiden der mittleren Jahre«, sagte er halb zu sich selbst. »Zum Glück ficht er die Älteren nicht an – wie alles andere es zu tun scheint …«
»Jetzt wirst du melodramatisch«, rügte sie.
»Noch belastet sie sehr die Jungen«, fuhr er fort, »die von Sterblichkeit nichts wissen und denen deshalb alles Drama übertrieben erscheint.« Seine Helfer, die ihn im Tang stützten, lachten lautlos. Kshro schüttelte mit großer Nachsicht den Kopf. Schließlich richtete der Alte wieder den Blick auf Joshua. »Ja, es ist mir recht, dass du bei uns bleibst, bis dein Körper wieder geheilt ist. Ich werde dir – warte, wen werde ich dir zuteilen? –, ah, ja, ich werde dir Kshro, die Junge, zuteilen, damit sie deine Lehrerin in Dingen der Selkies sei. Nun geht, bitte, wieder. Ich bin müde.«
Er schloss die Augen und ließ den Kopf sinken. Kshro zog Josh aus der Grotte und an der Kette
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