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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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einem Kind tut. Während sie heilen, kannst du schwimmen und später wieder gehen wie ein Mann. Aber sei jetzt noch ein Kind.«
    Sie lächelte, beugte sich vor und küsste ihn auf den Mund. Er war zu überrascht, um entweder darauf einzugehen oder sich von ihr zu lösen, aber sie hörte von selbst auf, strahlte ihn an und rollte sich im Wasser zweimal herum. Sie kam unter ihm – hinter ihm – herauf, legte den Arm um seine Brust und begann ihn rückwärts durch das Wasser zu ziehen, ganz mühelos. Als sie aus dem Tangfloß gelangt waren und offenes Wasser erreicht hatten, drehte sie sich um hundertachtzig Grad, so dass sie nun in Richtung der Insel schwammen.
    »Außerdem wärst du kein Meermann, sondern ein Selkie, was wir sind«, sagte sie, den Kopf nun hinter dem seinen, ihren Mund nah an seinem Ohr. »Aber das bist du nicht. Du bist ein Mensch.«
    Er glaubte in ihrer Stimme eine Spur von Traurigkeit zu erkennen, war aber mit anderen Fragen viel zu stark beschäftigt, um sie in diesem Augenblick danach zu fragen.
    Als sie um die Landspitze glitten, konnte Josh sehen, dass die Insel nicht einfach von elliptischer Form war – an einem Ende wölbte sie sich hoch und bildete auf der Seite zur zweiten Insel eine tiefe, natürliche Bucht. Sie erreichten diese Stelle zwischen den beiden Inseln. Josh sah, dass die Breite an die dreihundert Meter betrug; das Wasser schien so still zu sein wie in einem kleinen See. Kshro änderte wieder die Richtung und zog ihn zwischen die beiden Inseln hinein.
    Die kleine Insel war im Grunde nichts anderes als eine Anhäufung von Steinen neben Steinen, zwischen Steinen; hoch übereinander getürmt, zu einem Klein-Archipel auseinander gezogen. Und dort lagen in der Sonne oder spielten wie Tümmler die Selkies. Dutzende, männlich und weiblich, stießen einander von Felsen, tauchten tief auf, sprangen hoch im Gischt einer zusammenschlagenden Welle oder schliefen friedlich in der warmen Liebkosung der Sonne, im sanften Wiegen der Dünung. Bei ihrem Anblick empfand Josh ein Gefühl der Hochstimmung, vermischt mit einer Sehnsucht, wie er sie noch nie verspürt hatte.
    Er drehte den Kopf in die entgegengesetzte Richtung, um die einwärtsgerichtete Bucht der größeren Insel zu betrachten, in die sie jetzt hineingelangten. Hier erlebte er eine noch größere Überraschung. Denn die ganze Innenwölbung der Insel rund um die Bucht – auf fast eine Meile Länge – war belegt mit Schiffen aller Art. Genauer, mit Schiffswracks. Manche sahen neu aus, andere schienen seit ewigen Zeiten hier zu liegen. Schiffe aus allen Zeiten und Kulturen: Klipperschiffe mit gebrochenen Masten, chinesische Dschunken mit geborstenen Rümpfen, riesige Flachleichter und Flöße aus Balsaholz, Überreste von Schonern, Bruchstücke von Bugsprieten, verwitterte Galionsfiguren, gusseiserne Spanten, ausgebrannte Kielböden mächtiger Kriegsschiffe, umgekippte Schaufelräder, halb versunkene Frachtdampfer, der messerscharfe Kiel eines alten Luxusdampfers, tief im Sand vergraben – sie berührten einander, verkeilten sich, stiegen und fielen im Seichtwasser mit der stillen Atmung der Flut.
    Als sie näher kamen, sah Josh, dass auch hier die Selkies spielten – sie schwammen im Kreis um das tanzende Treibgut, versteckten sich in umgeworfenen Wracks und sprangen lachend und Wasser spritzend heraus, um einander zu überraschen. Kshro zog ihn mühelos an dieser versunkenen, gestrandeten und gescheiterten Flottille dahin zum anderen Ende der Bucht, an der Westseite der Insel, wo die Höhlen und Grotten aus der See zu brodeln schienen.
    Als sie sich einem gefährlich aussehenden Vorsprung aus Eruptivgestein näherten, kicherte Kshro Joshua ins Ohr: »Bevor du Luashra kennen lernst, wird es Glück bringen, einmal um das Rad zu schwimmen.«
    »Wer ist Luashra?« fragte Josh hustend. Er hatte ein bisschen Wasser geschluckt, als er reden wollte, während ihm eine kleine Welle ins Gesicht klatschte. »Und was ist das Rad?«
    Statt einer Antwort lächelte Kshro und schwamm hinaus in die Mitte der Bucht, einer Stelle zwischen den beiden Inseln entgegen. Auf halbem Weg dorthin spürte Josh zuerst ein leichtes Zerren, dann packte ihn das Ende einer wirbelnden Strömung unter Wasser – und er wurde wie ein auf dem Wasser springender Stein in die Arme eines zweiten Strudels geschleudert, der ihn zweimal herumriss, bevor er ihn in Kshros sanftem Griff in die unsichtbaren Krallen des nächsten Wirbels warf. Sie wurden auf diese Weise in

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