Neue Zeit und Welt
spielen rund um die Inseln, Luftakrobatik, Unterwasserballett, Hindernisrennen über die Wracks und Schnitzeljagden, Gesänge in der Gemeinschaft, Schwammwerfen, Steineschleudern, Ringen mit Kraken, sich vom Rad drehen lassen, dahintreiben, einander jagen, springen und lachen. Und Josh beteiligte sich, so oft er konnte. Dieses Spielerische war für ihn wie ein Balsam – nicht nur sein Geist fand Heilung, auch die Schmerzen in seinen gebrochenen Beinen schienen zu verschwinden. Die Lebenskraft dieser Umgebung heilte vieles in ihm, was zerfetzt worden war.
Er wurde angenommen und aufgemuntert, wohin er ging, denn sie hatten viel Liebe in sich, diese Wesen. Und das spürte er niemals deutlicher als beim Zusammensein mit Kshro. Sie verliebte sich mit jedem Tag stärker in diesen gütigen, seltsamen Menschen, der so ganz anders war als die anderen seiner Art. Er war begierig, zu lernen, er lachte gern, er war stolz, ohne anmaßend zu sein. Froh darüber, die Rolle eines Selkie zu spielen, solange er hier war, vergaß er doch nie, was er war: Mensch und Schreiber.
Nach einer Reihe von Tagen entdeckte er in der Tat einen Sims mit Büchern und verrotteten Schreibutensilien in einem der alten Schiffswracks. Er säuberte sie, trocknete sie, stellte aus dem, was er in der Blase eines toten Kalmars fand, Tinte her, ließ in der Sonne eine Rolle Papier trocknen, die er in einer zerfallenden Seemannskiste gefunden hatte – und schrieb. Die Selkies waren fasziniert. Binnen kurzer Zeit lehrte er sie Lesen und Schreiben, Zeichnen und Kritzeln. Sie waren hocherfreut über dieses seltsame Treiben; ein neues Spiel für sie.
Josh und Kshro wurden füreinander die besten Schüler. Sie brachte ihm bei, wie wichtig Spiel und Intuition waren, lehrte ihn die Schönheit des Meeres, die Friedlichkeit eines Daseins ohne ein zu erstrebendes Ziel. Er lehrte sie, wie man in fremde Welten versetzt werden konnte, wenn man darüber las, wie sie alles, was sie liebte, für immer lebendig halten konnte, wenn sie davon schrieb; und wie man gemeinsam die alten, schlafenden Gedanken erleben konnte, wenn man voneinander las, was man früher geschrieben und schon wieder vergessen hatte.
Josh empfand ein wenig Heimweh, wenn er von der Schreibkunst erzählte. Aber diese Wesen waren so gütig und herzlich und verliehen der Kunst des Schreibens einen so neuen, wundersamen Blickwinkel, dass er im ganzen hochzufrieden war. Seine Beine schienen zu heilen, zwar langsam, aber deutlich. Er gewann unschätzbare Einsichten nicht nur in diese zartfühlende Gesellschaft, sondern auch in seine eigene. Er verliebte sich, wie es unausweichlich war.
Sie lagen nebeneinander in einer wispernden Grotte, während die untergehende Sonne das Wasser in Wein verwandelte.
»Bleibst du bei uns, wenn deine Beine geheilt sind?« fragte Kshro.
»Ich … weiß es nicht«, erwiderte er. Er wusste es wirklich nicht. Es gab so vieles, was er zu Hause tun musste – seine Freunde, seine Verpflichtungen. Und trotzdem, hier …
»Ich liebe dich«, beteuerte sie. Sie zog ihn näher heran, seine Hand auf ihrer Brust.
»Ich habe Liebe seit langer Zeit nicht mehr gekannt«, sagte er. War das Liebe? Er war gewiss zufrieden, sogar in tiefstem Frieden mit sich selbst. Und dieses Selkie-Mädchen, das ihn gerettet hatte – sie war wunderschön, ihr Volk war es auch. Das war Leben, wie es sein sollte. Er streichelte das weiche Fell ihrer Hüfte, dann den unglaublich zarten Pelz ihrer Schenkel.
Sie beugte sich vor, presste ihren Mund auf den seinen, ihre Brust auf seine, während ihre schwellenden Hüften seine zusammengebundenen Beine auf das glatte, von Meerwasser überspülte Gestein drückten. Er streichelte ihre Wange; ihr Kuss wurde leidenschaftlich. Sie griff hinunter unter seine Hüften und zog sanft die dicken Stränge Seetang auseinander, die seine Hüften umspannten; sie glitten ins Wasser. Sie drehte sich auf den Rücken und zog ihn auf ihren glitschigen Körper, öffnete sich für ihn, um ihn aufzunehmen. Er küsste sie, als sei er ein Meerwassergeschöpf geworden, sie das Wesen wilder Träume. Sie wälzten sich im kobaltblauen Wasser und liebten einander.
Die Hochzeitsfeier entsprach der Tradition der Selkies. Als die ersten Streifen der Morgendämmerung die Wasserstraße zwischen den Inseln überspannten, bildeten zwei Reihen Selkies am westlichen Ende der Insel, bei Luashras Grotte, eine Doppelkolonne. Das waren die Zeugen. Kshro und Josh schwammen feierlich zwischen ihnen
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