Neue Zeit und Welt
dahin, während sie das Paar mit Wasser sanft bespritzten. Alle waren geschmückt mit Wasserblumen, geflochtenen Tangtüchern und Gold und Edelsteinen aus den zerstörten Schiffen. Es war ein schlichtes Ritual. Am Ende der Doppelreihe sollte Luashra sie in Empfang nehmen und ein paar Worte sprechen. So weit kamen sie aber nicht. Auf halbem Weg zwischen dem Spalier der Zeugen erlitt Joshua einen Krampfanfall.
Er dauerte nicht lange. Alles drängte sich heran, um seinen Kopf über Wasser zu halten; als der Anfall vorbei war, brachte man ihn zur Grotte von Whsh, der gewisse medizinische Fähigkeiten besaß. Aber Whsh stand vor einem Rätsel.
Josh lag eine Stunde auf dem wasserüberspülten Stein und versuchte sich zu fassen, während Kshro neben ihm saß, eine Hand hielt und den Blick von seinem Gesicht nicht abwandte. Die anderen kauerten betroffen am Höhleneingang.
Obwohl er dann noch Nachwirkungen verspürte, hatte ihn der Hammer wiederholter Krämpfe doch nicht völlig aus der Fassung gebracht, und er wusste, obschon zittrig, was geschehen war und woran es lag.
»Die Königin«, flüsterte er Kshro zu. »Die Anfälle … mein Helm …« Er konnte nicht aussprechen, was er sagen wollte. Er starrte Kshro zwingend an, damit sie begriff, aber sie wischte ihm nur die Stirn, während eine Träne über ihr Gesicht rann.
»Wie kann ich dir helfen?« sagte sie flehend, ihr Gesicht ganz nah dem seinen.
»Mein Kopf … in einem Helm. Brauche einen Helm aus Stahlgeflecht. Kopf in den Helm. Steckt ihn hinein. In Stahl.« Die Anstrengung war wieder zu groß für ihn; er sank keuchend zurück und lallte Unverständliches.
Sie wusste nicht, wovon er sprach, glaubte aber verstanden zu haben, dass er in etwas Stählernes gebracht werden wollte. Sie hob ihn hoch und zog ihn durch das Wasser zu einem kleinen alten Kriegsschiff, dessen Rumpf durchrostete. Sie hatte geglaubt, Stahl roste nicht, aber irgend jemand hatte ihr einmal gesagt, dieses Boot sei aus einem Metall ähnlich wie Stahl – sie schwamm also durch die offene Luke mit Josh hinein und legte ihn auf eine abgerissene, schwimmende Treppe.
Er erholte sich rasch. Und solange er in diesem Eisenrumpf blieb, geschah mit ihm nichts. Sobald er sich aber hinauswagte, verspürte er sofort das Schwindelgefühl, das einem ›Anfall‹ voranging – und er ließ sich schnell wieder hineinbringen.
Das war ein schwerer Schlag. Er hatte alles, was vorher gewesen, praktisch vergessen können. Ein anderes Leben, hatte er sich gesagt. Aber plötzlich war die Wirklichkeit wieder über ihn hereingebrochen.
Er erzählte Kshro nun von seiner Vergangenheit – Beauty, Dicey, Rose, Ollie; von der Königin und den Strahlen, die sie aussandte, damit er diese Anfälle bekam und zu ihr zurückkehrte. Das Scheusal.
»Aber das war zu einer anderen Zeit«, sagte sie zu ihm. »Jetzt bist du hier und bei mir sicher. Wir sind jetzt die Deinen.«
»Soll ich für immer in diesem Schiff leben?«
»Wir stellen eine kleine Kappe her, wie du sie mir beschrieben hast – machen sie aus dem, was wir in diesem Schiff finden, damit du vor dieser Königin und ihren Machenschaften sicher bist.«
Er schüttelte tieftraurig den Kopf.
»Ich muss fort, Kshro. Die Königin muss vernichtet werden – man darf nicht zulassen, dass sie am Leben bleibt. Ich muss nach Hause, zu meinen Freunden, die mir am Herzen liegen. Sie werden mich wohl überall suchen. Ich muss ihnen helfen.«
Kshro war den Tränen nah, aber sie liebte ihn viel zu sehr, um sich seinen Wünschen zu widersetzen. In diesem Augenblick kam jedoch der alte Luashra herein, gestützt von seinen zwei Begleitern.
»Verzeih mir, bitte, dass ich das gehört habe, Joshua, ich wollte nicht lauschen. Und ich werde dich noch einmal um Verzeihung bitten, bevor der Tag schläft.«
»Großvater, was …?«
»Sei du still. Ich will es kurz machen. Nur soviel: Du darfst diese Inseln nicht verlassen. Du weißt zuviel von unserem Aufenthalt und unserer Art, um unter Piraten und Schlimmeren herumzulaufen.«
Josh sah ihn verletzt und beleidigt an.
»Ich würde nie ein Wort verraten …«
»Den Begierigen der Erde ist Folterung nicht fremd. Und du kannst auch nicht verantwortlich sein für das, was du bei deinen ›Anfällen‹ lallst – das hast du selbst gesagt.«
Josh blickte von einem Gesicht zum anderen, entsetzt und verwirrt. Kshros Gefühle waren so vielfältiger, widersprüchlicher Art, dass sie niemanden ansehen konnte. Sie wusste nicht, ob sie
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