Neues Glück für Gisela
wirklich ein Nachthemd fand. Er sah etwas Dünnes, Langes, Weißes mit kurzen Ärmeln, und es schien ihm, daß dies am ehesten einem zu nächtlichem Gebrauch bestimmten Kleidungsstück glich.
Jetzt war der Koffer voll, und Rolf hatte seinen Auftrag ausgeführt.
Als er aus dem Bad treten wollte, verharrte er einen Augenblick vor der Tür. Da hing ein Bademantel mit blauen und weißen Streifen, von demselben dicken Stoff, aus dem die hübschen Handtücher waren.
Rolf stand still und blickte auf den Mantel. Mit einemmal wurde es ihm bewußt, daß er allein war. Ganz allein. Er und der Bademantel waren allein. Niemand könnte reinkommen und ihn überraschen.
Er streckte seine ungeschickte kleine Bubenfaust aus und strich vorsichtig, erst einmal, dann ein zweites Mal über Giselas Bademantel.
Einen Augenblick darauf schlug die Tür hinter ihm zu.
Ehrlich gegen sich selbst
Willi blieb auf der Schwelle zu Giselas Krankenzimmer stehen. Es war etwas Fremdes darin, etwas Neues, selbst der Duft des Zimmers war ein anderer. Vorher war es nur der Duft von Sauberkeit, jetzt war es etwas Undefinierbares, ein zarter Duft, der in den Kleidern gepflegter Frauen hängt, Duft von feiner Seife und guter Hautcreme.
In einem Lehnstuhl beim Fenster saß Gisela in ihrem wattierten blauen Morgenrock. Der Doktor war am Vormittag dagewesen und hatte sie aus einem großen Teil ihrer Verbände geschält. Von jetzt an mußte sie nicht mehr im Bett bleiben, sondern durfte im Lehnstuhl sitzen. Schwester Ruth hatte ihr aus dem Bett geholfen. Ihr armer, zerschundener Körper war überall noch sehr empfindlich, und als die meisten Verbände herunter waren, schillerte er noch voll grüner und blauer Flecken. Und auf der einen Wange hatte sie eine kräftige Schramme. „Na, du siehst vielleicht aus“, sagte Willi.
„Nicht wahr? Kannst du so großer Farbenpracht widerstehen?“ lachte Gisela. „Bitte, nimm Platz. Es sieht aus, als ob du zu einem feierlichen Krankenbesuch gekommen wärest.“
Seine Augen wanderten wieder im Zimmer umher. Die Veränderungen waren nicht groß, aber sie waren vorhanden. Auf dem Waschtisch standen die kleinen weiblichen Toilettenartikel, rosa Cremedosen, Waschhandschuhe, die feine durchsichtige Nagelbürste, eine Manikürgarnitur. Giselas Füße, die unter dem eleganten Morgenrock hervorsahen, staken in den pelzbesetzten Pantoffeln. In einer Ecke des Zimmers stand der Koffer mit den bunten Hoteletiketten.
„Na, Willi, du bist ja so schweigsam?“ Er lächelte, aber sein Lächeln war nicht so ungezwungen wie sonst.
„Soll man da nicht verstummen bei so viel, so viel…“ Er brach ab und suchte nach Worten.
„… Farbenpracht“, half ihm Gisela nach.
„Ja, aber nicht die Farbenpracht, an die du denkst. Ich starre mit tiefer Ehrfurcht auf deinen Morgenrock und deinen Koffer. Das ist ja förmlich ein Hauch aus der großen Welt.“
Die Stimme sollte munter-neckend klingen, aber das mißlang. Der leichte Tonfall war angestrengt und gezwungen.
„Was du für einen Unsinn redest, Willi.“ Sie folgte der Richtung seines Blickes. „Ach ja, ist es mein Koffer? Ja, ich habe insofern Glück gehabt, ich hatte öfters Gelegenheit zum Reisen.“
„Du hattest schon auf mancherlei Weise Glück gehabt, glaube ich.“
Es lief ein Schatten über Giselas Gesicht.
„Und auf vielerlei Weise wieder nicht, Willi. Oft glaube ich, daß du trotzdem glücklicher gewesen bist.“
„Ich?“
„Ja, allerdings. Du hast etwas, worum ich dich fast beneide. Du hast eine wunderbare Aufgabe im Leben, eine Aufgabe, die du phantastisch gut ausfüllst. Wenn irgendein Mensch auf seinen richtigen Platz im Leben gekommen ist, so bist du es.“ Jetzt war sein Lächeln echt.
„Sieh mal an. Du meinst also, ich bin auf meinem richtigen Platz?“
„Ja, darauf kannst du wetten. Hör mal, Willi, hast du Kinderpsychologie studiert? Ich weiß tatsächlich nicht, was eigentlich dazu gehört, um Leiter eines Kinder- oder Knabenheims zu werden.“
„Doch, ich habe Kinderpsychologie studiert. Das heißt, erst studierte ich Philologie…“
„Warum hast du mir das nie erzählt? Dann sind wir ja Kollegen.“
„Ach, was war da schon groß zu erzählen? Ja, also erst Philologie. Dann war ich eine Zeit in Schweden und Dänemark, um verschiedene Kinderheime zu studieren, dann nahm ich einen Kurs in Psychologie, und in meiner Freizeit las ich alles mögliche, das ich in so einer Stellung brauchen konnte, angefangen von Erster Hilfe bis
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