Neues Glück für Gisela
darf, den wir morgen abhalten und auf den er, wie ich weiß, sich gefreut hat.“
„Er tut mir so leid“, murmelte Gisela.
„Nun ja“, sagte Willi, „Strafe muß sein. Und wenn du glaubst, es macht mir Spaß zu strafen, irrst du dich gewaltig. Mach’s gut, Gisela, ich schau später wieder zu dir herein! Klingle, wenn du etwas brauchst.“
Gisela blieb liegen und starrte vor sich hin. Seine ruhige, gute Stimme klang noch in ihren Ohren.
Die Gedanken aus ihrem Unterbewußtsein drängten sich zu schmerzhaftem Bewußtsein empor.
„Niemand in der Welt könnte ein so guter Vater sein wie Willi. Willi muß eigene Kinder haben. Dazu hat ihn der Herrgott ausersehen.“
Ein paar Tränen traten ihr in die Augen, sie konnte es nicht verhindern. Da war es gut, die verbundene rechte Hand zu haben. Mit der Katzenpfote konnte man so gut Tränen abtrocknen.
Rolf schloß andächtig Elisabeths Wohnungstür auf.
Er sah sich um, seine klugen Augen fingen alles ein, all das Schöne, Unbekannte. Er war ganz selten in einem Privatheim gewesen. Er fand die Räume hier so klein, und sie hatten so viele Farben und wirkten gewissermaßen so weich, es lag etwas über ihnen, das sie so ungeheuer stark von den großen, kahlen, nüchternen Räumen im Knabenheim unterschied. Rolf stand im Wohnzimmer und schaute auf die lange Reihe schön eingebundener Bücher. Seine Augen gingen zu den Bildern, den Lampen, den Blumen im Fenster, Blumen, jawohl. Da kam ihm ein Gedanke. In der Küche fand er einen Wasserkessel, den er füllte, und dann begoß er sorgfältig alle Pflänzchen, eines nach dem anderen.
Als er den Kessel auf seinen Platz stellte, sah er, daß etwas gebrauchtes Kaffeegeschirr im Spülbecken stand. Er drehte den Heißwasserhahn auf und wusch das Geschirr. Er berührte alles sehr vorsichtig und besah sich jedes Ding, das er aufwusch, verwundert.
Der Koffer steht im Wandschrank im Vorzimmer, hatte Gisela gesagt.
Der Wandschrank hing voller Kleider, Rolf sah sie an, ohne sie zu berühren. Da hing etwas Blaues, das kannte er. Das war das Kleid, das Gisela meist in der Schule trug. Und dort hing der wohlbekannte Gabardinemantel. Nun begann Rolf den Koffer zu suchen. Da streifte etwas Weiches seine Wange. Es war ein Mantel, ganz aus Pelz, aus weichem braunem Pelz, der strich so fein und wohlig wie eine Liebkosung gegen seine Wange.
Dann fand er den Koffer und sah ihn an. Er war fast völlig mit Etiketten überklebt, und Rolf las mit großen verwunderten Augen: Hotel Carlton, London; Hotel d’Angleterre, Kopenhagen; Hotel Alexandra, Stockholm; Crown by Scandinavian Airlines System; Hôtel de Crillon, Paris; Hotel Vier Jahreszeiten, Hamburg; Hotel Königshof, München.
Vor diesem Koffer wurde es Rolf bewußt, daß da eine Welt war, eine große, merkwürdige Welt, von der er fast nichts wußte. Und diese wunderliche Welt kam ihm mit einem Male so merkwürdig näher. Das, was früher bloß trockene Namen in den Geographiestunden gewesen waren, wurde lebendig, handgreiflich durch diese bunten Papierzettel auf einem kleinen Lederkoffer. Er guckte sich jedes Etikett genau an.
Bisher hatte er gar nicht gewußt, daß solche Bildetiketten existierten, ja, er kannte kaum den Begriff „Hotel“.
Dann riß er sich los von seinen Träumereien, ging in das Schlafzimmer und schaute auf seine Liste. „Blauer Morgenrock hängt rechts vom Bett.“
Da hing etwas Blaues. Rolf sah es an und biß sich zweifelnd auf die Lippen. Es schimmerte wie Seide, und dieses Gewand war so mächtig lang, das mußte ja bis zum Boden reichen.
Er schaute es an und war wieder in Zweifel, dachte aber dann, es müsse wohl doch das sein, was sie gemeint hat. Die kleinen rauhen Bubenhände mühten sich ab, das Gewand so gut wie möglich zusammenzulegen, damit es in den Koffer ging-
Alles war merkwürdig und überraschend. Er starrte verwundert auf die blauen Pantöffelchen mit dem weißen Pelzbesatz, er sammelte die Toilettensachen im Badezimmer zusammen und fand auch den Kulturbeutel, in den alles kommen sollte. Rolf ahnte nicht, daß eine Nagelbürste ein durchsichtiges rosa Oberteil haben oder daß eine Seife hellgrün sein und wie eine ganze Blumenwiese duften konnte.
Was noch? Er schaute wieder prüfend in seine Liste. Ein Nachthemd aus der obersten Schublade der Kommode im Schlafzimmer und ein paar Taschentücher.
Er fühlte Verlegenheit, als er die Schublade der Kommode öffnete. Es muß zugegeben werden, es war mehr Zufall als Sachkundschaft, daß er
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