Neukölln ist überall (German Edition)
einladen, müsste eigentlich erfolgreicher sein als die üblichen.
Tja, Pustekuchen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen war das Resultat genauso niederschmetternd wie bei jeder Routineeinladung: Bei Schulen mit Schülerzahlen zwischen 450 und 650 saßen 25 bis 40 Personen im Raum. Die Atmosphäre war, von Ausnahmen abgesehen, stets zurückhaltend bis aggressiv und nicht sehr zugewandt. Die Eltern ergingen sich in endlosen Vorwürfen, wie schlecht die Lehrer und die Schule seien, die Kinder würden nichts lernen, und überhaupt sei vieles ausländerfeindlich. Die Schule bringe den Kindern kein Türkisch bei, und die Krönung war dann manchmal noch, dass die Eltern unterschiedlicher Ethnien sich gegenseitig beschimpften. Ich musste bei mehreren Elternabenden wirklich stark an meiner Zurückhaltung arbeiten, weil die Vorwürfe so absurd und teilweise so unverschämt waren, dass sie eigentlich einer sehr deutlichen Abfuhr bedurft hätten. Ich habe letztlich nicht zur Eskalation beigetragen, weil es keinen Zweck gehabt hätte. Nur in zwei Fällen wurde meine Höflichkeit zu stark auf die Probe gestellt.
Nachdem der türkische Generalkonsul und ich mehrfach auf die Bedeutung der deutschen Sprache hingewiesen hatten, wollten die nachdrücklich vorgetragenen Forderungen nach Türkischunterricht für die Kinder nicht enden. Eine Mutter beschwerte sich, dass sich ihr Sohn im Urlaub in der Türkei nicht mit anderen Kindern auf Türkisch habe verständigen können. Daran könne man die schlechte Qualität der Schule erkennen. Ich habe daraufhin in extrem leicht verständlichen Formulierungen die Position vertreten, dass es Aufgabe einer deutschen Schule in Neukölln sei, den Kindern die deutsche Sprache beizubringen, um sie auf ein Leben in Deutschland vorzubereiten. Wenn sie als Mutter das Kind auf ein Leben in der Türkei vorbereiten wolle, sei das ihr Job, bei dem sie bisher nach ihren eigenen Aussagen aber nicht sehr erfolgreich gewesen sei.
In einer anderen Schule habe ich mir mehrere Redebeiträge zum selben Thema anhören dürfen: dass Deutschland die Menschen aus dem Ausland holt, sie auspresst und dann noch nicht einmal dafür sorgt, dass die Kinder etwas lernen. Diese Weltsicht ermunterte mich zu Hinweisen, welche Anstrengungen andere Menschen unternehmen, um in das als so schrecklich dargestellte Land zu kommen, und welche Leistungen unsere Gesellschaft für jeden Menschen im Land für ein Leben in Würde und frei von Angst vor existentieller Verelendung bereithält. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind diese Leistungen höher als jede Form des Gelderwerbs im Herkunftsland. Allerdings würde ich niemanden daran hindern wollen, die Probe aufs Exempel zu machen.
Ich habe diese Form der Elternabende inzwischen eingestellt. Irgendwann muss man einsehen und begreifen, dass Zwangsbeglückung ein ganz schlechter Kampagnenansatz ist. Auch wenn’s schwer fällt.
Die zunehmende Islamisierung mit immer stärkeren fundamentalistischen Tendenzen macht auch vor unseren Schulen nicht halt. Es gehört inzwischen zum Alltag der Lehrer, sich mit Eltern über ihre Religionsvorstellungen auseinanderzusetzen. Da gibt es sehr konfliktbereite Kollegien, die nicht bereit sind, zu weichen. Das sind die mit der Haltung: Wir machen hier Schule und nicht Religion . Das schafft natürlich Konfliktpotential mit überreligiösen Eltern. Und diese inszenieren manchmal auch demonstrativ diese Konflikte, um sich lautstark in Szene zu setzen. Insofern fand ich die Idee nicht schlecht, in Berlin zum Themenkreis »Islam und Schule« eine Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer herauszugeben. Man kann sich natürlich fragen, warum es keine Handreichung »Katholizismus und Schule«, »Protestantentum und Schule«, »Hinduismus und Schule« und so weiter gibt, aber das Thema der aggressiven Egozentrik des Islam hatten wir ja schon.
Seit einiger Zeit gibt es nun eine solche Broschüre. Ich finde, sie ist misslungen. Sie erklärt bestimmte Besonderheiten des islamischen Glaubens, bleibt aber im Ganzen eine klare Position schuldig. Es ist eine Schrift, die in wohlgesetzten Worten Rezepte dafür ausstellt, wie man ohne Gesichtsverlust zurückweicht und das Feld räumt. Beispiele hierfür sind die Feststellung, dass der Ramadan natürlich keinen Einfluss auf das Schreiben von Leistungstests haben dürfe, man aber den Leistungstest so legen könne, dass er nicht in den Zeitraum des Ramadan fällt. Selbstverständlich legen wir nach wie vor Wert auf
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