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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Buschkowsky
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Sportunterricht für Mädchen, aber bitte, während dieser Zeit darf der Hausmeister die Turnhalle nicht betreten. Bei der Frage des Nahost-Konfliktes sollten sich Lehrer nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen, und bei der Diskussion um Gleichberechtigung empfehle es sich, Schüler »aus eher traditionell eingestellten Elternhäusern« nicht moralisch zu überwältigen. Auch sollten wir bei der Frage des Duschens oder des Schwimmens nicht zu rigide sein. Im Sexualkundeunterricht möge man auf naturalistische Darstellungen verzichten und stilisierte Graphiken verwenden. Es hätte nur noch gefehlt, dass das beliebte Beispiel mit den Bienen vorgeschlagen worden wäre. Insbesondere hierüber empörte sich eine Schulleiterin: »Diese Broschüre ist mit unseren gesellschaftlichen Werten nicht vereinbar. Wir fühlen uns der Aufklärung und Emanzipation verpflichtet. Es ist doch wichtig, dass Kinder aufgeklärt sind und über ihren Körper gut Bescheid wissen (hoffentlich so gut wie über die Bienen). Dazu brauchen sie realistische Bilder. Wenn ein kleines arabisches Mädchen beim Wickeln ihres kleinen Bruders nicht dabei sein darf, finde ich das unglaublich. Wir wissen auch, wie wichtig Aufklärung in Bezug auf sexuellen Missbrauch ist. Es kann doch nicht sein, dass Kinder nicht wissen dürfen, wie erwachsene Menschen nackt aussehen, aber heimlich in ihren Kinderzimmern Pornos im Fernseher anschauen.« Eine andere Schulleiterin sagte mir, als ich sie zu ihrer Meinung nach dieser Broschüre fragte, kurz und zackig: »So wie die Dinger gekommen sind, habe ich sie genommen und in den Müll geworfen.«
    Ich will mich in den Schulalltag überhaupt nicht einmischen. Das ist nicht meine Baustelle. Aber ich akzeptiere nicht, dass hinterweltlerische, vordemokratische Denkstrukturen all jene Dinge in Frage stellen und sogar über sie obsiegen, die sich unsere Gesellschaft in über 100 Jahren auf dem Weg zur Modernität und zur Liberalität erarbeitet hat. Ich persönlich bin nicht bereit, mich diesem Quatsch zu beugen, dass das Anschauen eines anderen Menschen unzüchtig ist, eine Berührung an den Händen unrein macht und dass ein gottgefälliges Leben von der Verbreitung des Glaubens mit Blut und Tränen abhängt.
    Natürlich habe ich mir auch zum Bereich der Schulen zwei Kronzeuginnen an meine Seite geholt. Beide leiten Grundschulen in abgegrenzten Wohnsiedlungen, beides gestandene Persönlichkeiten, die durchaus der Meinung sind, dass in ihrer Schule das geschieht, was sie sagen. Nicht das, was die Väter sagen, und nicht das, was der benachbarte Imam sagt.
    Die eine führt ihre Schule seit 1992 und erinnert gern daran, dass der Anteil der Einwandererkinder einmal 23   % betrug und alle Eltern einer Erwerbstätigkeit nachgingen. Heute beträgt der Anteil der Einwandererkinder 83   % bei fast deckungsgleichem Anteil der Familien im Hartz- IV -Bezug.
    Die Entwicklung in ihrem Einzugsgebiet hält sie für eine Folge der Heiratspolitik der Familien. Das Einfliegen von Importbräuten für die jungen Männer greift seit längerem um sich, und bei den jungen Frauen ist es zu 90   % der Cousin aus der Heimat, der urplötzlich die Liebe im Herzen entzündet hat. Die allermeisten ihrer Schüler kommen aus arabischen Familien, und die Mehrheit holt die Ehepartner jeweils neu ins Land. Zu diesem Themenkreis gehört aus Sicht dieser Schulleiterin auch die zunehmende Zahl der Konvertierten. Meist ungelernte, junge deutsche Mädchen, die ihren »Omar Sharif für Arme« gefunden haben. Allein an ihrer Schule sind 25 Mütter Konvertitinnen. Und 25   % der Schüler jedes Abschlussjahrgangs erhalten an ihrer Schule eine Gymnasialempfehlung mit der Note 2,2 oder besser. Das sind fast ausschließlich Kinder von den Eltern, die noch berufstätig sind. Dieselben, die sich an der Schulkonferenz beteiligen oder Elternsprecher sind.
    Ihre Schule liegt im Einzugsbereich der Al-Nur-Moschee, eines der beiden Salafiten-Zentren in Berlin. Daher rührt auch der ständige Nachzug von arabischen Familien in dieses Gebiet. Sie sagt: »Diese Familien leben in großen Gebinden, in Clans.« Die türkischen Familien leben dagegen fast wie die Deutschen. Ihre Kinderzahl ist europäisiert, und sie sind Einzelfamilien. In der Schule bekommen die Kinder das zu essen, was ihnen schmeckt. Niemand muss Schweinefleisch essen, aber es werden auch Gerichte mit Schweinefleisch angeboten, weil es Schüler gibt, die diese Gerichte essen wollen. Obst und Gemüse gibt es immer

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