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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Buschkowsky
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Unwohlsein über die gefeierten Erfolgsmeldungen der Schulabschlüsse verstärkt sich noch bei einer weiteren Differenzierung. Zumindest unter Insidern ist es kein Geheimnis, dass die einzelnen Ethnien sehr ungleich, gemessen an ihrem Schüleranteil, an den höheren Schulabschlüssen beteiligt sind. Nach einer Erhebung des Senats im Jahr 2006 betrug zum Beispiel der Anteil der türkischstämmigen Schüler an allen ndH-Schülern 42   %. An den Abituren aller ndH-Schüler waren sie jedoch nur zu 23   % beteiligt. Polnische Schüler mit einem Mengenanteil von 4,2   % waren es hingegen zu 10   % und vietnamesische Schüler bei einem Anteil von 4,1   % zu 6   %.
    Die Negativskala zeigt im Vergleich der deutschen mit den ndH-Schülern zwar eine inzwischen etwas abgeflachte Kurve, die aber immer noch deutliche Unterschiede ausweist. In Neukölln verlassen 14   % der Schüler die Schule ohne Abschluss (berlinweit 9   %). Bei den Schülern mit Migrationshintergrund sind es 18   % (berlinweit 14   %). Ohne Schulabschluss oder mit dem Hauptschulabschluss verlassen 42   % der Schüler in Neukölln die Schule (in Berlin 29   %). Bei den Schülern nicht-deutscher Herkunft sind es 50   % (in Berlin 43   %). Dass der Hauptschulabschluss nicht selten ein Akt pädagogischer Gnade der Lehrerin oder des Lehrers ist, sei mit dem Mantel des Schweigens bedeckt.
    Die Schwierigkeit unseres Bildungssystems, gerade die Schüler mit Migrationshintergrund zu erreichen und zu motivieren, lässt sich auch an den Neuköllner Ergebnissen der Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss 2012 ablesen. Von den teilnehmenden Realschülern waren 69   % nicht-deutscher Herkunft. Wir sehen hier bereits ein deutliches Übergewicht der Einwandererkinder in den Realschulen. Von diesen Prüflingen haben lediglich 64   % im Fach Deutsch bestanden und nur 17   % (!) in Mathematik (die Durchfallquote aller Mädchen betrug in Mathematik 91   %). Noch Fragen? Insgesamt haben zwei Drittel der Schüler den Mittleren Schulabschluss geschafft. In Bezirken mit weniger starken Migrantenanteilen liegt diese Quote bei über 80   %.
    Zur Bestehensquote allgemein muss man allerdings noch wissen, dass in Berlin seit dem Prüfungsjahrgang 2011 durch ein mündliches Nachprüfen das Manko bei der schriftlichen Prüfung ausgeglichen werden kann. Man kann das Desaster also wegquatschen. Damit relativieren sich natürlich Prüfungsergebnisse. Ich entstamme noch einer Generation, bei der es mit einer Fünf in Deutsch oder Mathematik in der heutigen Sprache hieße »no way, once again, please« . Ich persönlich stehe dem Mittel von Leistungsabsenkungen zur Erhöhung der Bestehensquote außerordentlich distanziert gegenüber. Man trainiert einen Hochspringer auch nicht damit, dass man die Latte niedriger hängt. Die Leistung muss dem Standard angepasst werden und nicht umgekehrt. Der Aufprall der jungen Menschen wird in der realen Welt des Berufslebens immer furchtbarer, je mehr wir sie mit einer Scheinwelt ihrer Kompetenzen in Watte packen.
    Der Anteil der Bevölkerung mit fehlenden allgemeinen oder beruflichen Abschlüssen, also ohne zumindest Hauptschulabschluss oder Anlernausbildung, betrug 2010 in Neukölln 30,3   %. Im Jahr 2005 waren es 32,5   %. Demnach ist in sechs Jahren nur eine marginale Verbesserung eingetreten. Diese Werte übersteigen diejenigen für den Bezirk Pankow um das Vierfache und die für den Bezirk Treptow-Köpenick um das Dreifache. Deutlich auffällig ist auch der Bezirk Mitte, der ebenfalls einen starken Anteil von Einwanderern an der Gesamtbevölkerung aufweist. Interessant ist in diesem Zusammenhang noch eine Auswertung des Anteils der Bevölkerung unter 60 Jahren, der in einem Haushalt ohne Erwerbstätige lebt. In Neukölln ist das jeder Vierte mit 25,8   % gegenüber 27,2   % im Jahr 2005. Auch in diesem Feld ist der Bezirk Mitte der einzige Bezirk, der mit 27,2   % im Jahr 2010 sogar noch schlechter abschnitt.
    Die Arbeitslosenquote betrug im Frühjahr 2012 in Neukölln 22   %. Regionalisiertes statistisches Material über die Arbeitslosigkeit bei Einwanderern liegt mir nicht vor. Wir schätzen die entsprechende Quote allerdings auf mindestens 35   %. Dies ist wahrscheinlich noch eine sehr konservative Betrachtungsweise.
    Nur jeder siebte Arbeitslose in Neukölln erhält das originäre Arbeitslosengeld I . Das Gros hat keinen Anspruch auf diese Versicherungsleistung, weil entweder die Anwartschaft nicht erfüllt wird oder die

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