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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Buschkowsky
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offizieller Mini-Jobber und Hartz- IV -Bezieher muss sich auch nicht mit der Lohnsteuer und der Rentenversicherung herumplagen. Arbeitgeber profitieren ebenfalls von den Machenschaften der informellen (ethnischen) Wirtschaft. In diesen Systemen existieren ganze Netze von Namen, Scheinidentitäten und Scheinfunktionen. Das Dickicht ist undurchdringlich. Zum einen verfügt unser Jobcenter bei 80   000 Kunden mit vier (!) Außendienstmitarbeitern über eine nahezu lächerliche Armada und vermittelt so eine recht unterhaltende Drohkulisse. Zum anderen machen die familiären Beziehungsgeflechte Einblicke von außen fast unmöglich.
    Es geht hier nicht um individuelles Fehlverhalten, Eierdiebe und Sozialschmarotzer. Die gibt es überall, und das ist auch keine Frage der Ethnie. Der Mensch an sich und Geld sind antagonistisch. Schummelei und Betrug, Abzocke bis zur organisierten Kriminalität findet man in jedem Volk und auf jeder gesellschaftlichen Ebene. Je weißer das Hemd und je staatstragender die Sprüche, desto größer die Anzahl der Nullen vor dem Komma als Ziel der Begierde. Wo der Hartz- IV -Empfänger sich mit der Schwarzvermietung seiner Wohnung 300 Euro monatlich in die Tasche steckt, sahnen die feinen Leut’ zum Beispiel drei Millionen Euro mit Schrottimmobilien ab.
    Nein, darum geht es nicht, das ist Arbeit für die dafür zuständigen Behörden. Wir können gerne darüber streiten, ob diese effektiv arbeiten und ob es von der Gesellschaft überhaupt gewünscht wird, dass sie effektiv arbeiten. Hier geht es vielmehr um Parallelgesellschaften. Hier geht es um Einflussgebiete jenseits unserer Rechtsordnung. Hier geht es um Gemeinschaften, die sich durchaus an Werte und Normen halten – nur nicht an die unsrigen. Und die eine eigene Auffassung davon haben, mit wem man solidarisch zu sein hat. Das ist nicht die staatliche Gemeinschaft, sondern das ist die Familie. Einzig und allein ihre Belange zählen.
    Parallelgesellschaften haben bei uns längst einen derartigen Ausbaugrad und eine Verbindlichkeit erreicht, dass ich sie für irreversibel halte. Hegemonialansprüche begleiten diese Entwicklung. Nach dem Motto »Das ist Unseres, hier haben wir das Sagen« werden der Sozialraum und die Lebensgewohnheiten in ihm dominiert. Ein wunderbares Beispiel dafür ist die Eröffnung einer arabischen Boutique in der Neuköllner Innenstadt. An die Hauswand wird in deutscher Sprache der Text einer Sure angebracht, der die Züchtigkeit und die Unterordnung der Frauen fordert. Erst nach starkem öffentlichem Protest, auch in den Medien, wird die Aufschrift wieder entfernt.
    Das gesamte kulturelle Leben und die üblichen Lebensabläufe sind plötzlich in Frage gestellt, wenn sich die Bevölkerung zu einem erheblichen Maß austauscht. Ein Beispiel aus dem Alltag ist der Sport. Der Sport ist der beste Motor der Integration, so heißt es immer. Na ja, wenn man es auf den Fußball reduziert und die weniger freundlichen Geschehnisse auf so manchem Fußballplatz am Sonntag außen vor lässt. Die Realität ist einfach so, dass bestimmte Sportarten von Muslimen nicht betrieben werden, und Mädchensport gibt es bei ihnen schon gar nicht. So kann es nicht verwundern, dass über die Jahre deutsche Vereine mit traditionellen Sportarten wie Turnen, Handball oder auch Volleyball von der Bildfläche verschwunden sind. Ein Stück Kultur, aber auch der Sportverein als Schmiede von Regelakzeptanz, Kameradschaftsgeist und Solidarität ist natürlich seiner Wirkung beraubt. Ich leite aus dieser Darstellung keine konkreten Schlussfolgerungen ab, aber ich möchte schon verdeutlichen, dass Einwandererviertel die herrschenden Rollen und Riten der einheimischen Bevölkerung nicht automatisch für sich übernehmen und insofern ein Kulturverlust eintritt.
    Die deutschen Normen gelten nur so lange, wie sie nützen und/oder einträglich sind. Danach verlieren sie schnell an Bedeutung. An ihre Stellen treten rituelle Gebräuche und tradierte Verhaltensweisen, die eine enorm verbindliche Wirkung entfalten. Davon abweichende Lebensarten werden schnell als schlecht, schlampig oder ungläubig abqualifiziert. »Die leben wie die Deutschen« ist nicht als Kompliment gemeint. Bei den Betroffenen führt das zu Verunsicherung und Anpassung. Die Deutschen wollen uns nicht und benachteiligen uns, weil wir Ausländer sind. Dann möchte ich auf keinen Fall, dass auch die eigenen Leute uns verstoßen.
    Parallelgesellschaften erreichen mitunter die Bedeutung der

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