Neukölln ist überall (German Edition)
Nur die Namen sind für eine europäische Zunge eine echte Herausforderung. Außer der Ausbildung ihrer Kinder geht nichts preußisch zu. Bei der Wahrung der Zukunftschancen ihrer Kinder verstehen sie keinen Spaß. Aber ansonsten ist die tamilische Lebenssicht eher eine mediterrane. Dies ist ein Beweis dafür, dass auch völlig unterschiedliche Kulturen und Religionen friedlich und harmonisch miteinander leben können, ohne dass es andauernd Stress gibt. Es kommt wohl doch auf den Grundkonsens an, dass nicht die eigene Würde und der Respekt vor ihr ständig im Mittelpunkt stehen und eingefordert werden, sondern dass man sie zuallererst dem anderen entgegenbringt.
Islamophobie und Überfremdungsangst
Man braucht nicht lange um den heißen Brei herumzureden: Der übergroßen Zahl der Menschen in Deutschland geht wie mir die nicht enden wollende Debatte über den Islam auf die Nerven, oder sie ist den Menschen schlicht und ergreifend völlig egal. Eigentlich ist das gar keine so schlechte Grundlage für eine friedliche Koexistenz. Wenn da nicht das Fernsehen und die anderen Medien wären. Jeden Tag bringen sie die Bilder kriegerischer Auseinandersetzungen, von Attentaten oder von irgendwelchem paranoiden Beleidigtsein in unsere Wohnzimmer. Die ständige Berieselung mit einem Thema, zumal wenn es mit Greueln, Not und Leid verbunden ist, verändert die Sichtweise von Menschen. Sie bekommen Angst. Der Islam ist derzeit ohne jeden Zweifel die Religion mit den fanatischsten Anhängern und Abzweigungen. Eine Religion, die anderen Menschen jeden Tag in Form von Gewalttaten begegnet, darf sich nicht wundern, wenn sie nicht spontan mit Frieden und Liebe gleichgesetzt wird.
Solange sich die Berichte auf Regionen der Welt beziehen, die weit entfernt sind, so weit, dass die Menschen das Gefühl haben, sie seien nicht persönlich davon betroffen, solange bleibt es bei einem hilflosen Schulterzucken. Empfinden die Menschen aber die Bedrohung für sich selbst, dann weckt es ihre Emotionalität. Die Steinigung von Menschen in Pakistan, weil sie unverheiratet miteinander Kaffee getrunken haben oder auch die Ehe brachen, führt in unseren Breitengraden zu Kopfschütteln über das wohl doch noch existente Mittelalter. Die Attentate des 11. September 2001 waren zwar auch weit weg, aber aufgrund der Nähe Deutschlands zu den USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs löste 9/11 doch schon eine sehr viel stärkere Anteilnahme aus. Die Frage, ob der Iran tatsächlich an der Atombombe bastelt, um das Existenzrecht Israels final zu beantworten, oder ob Israel dem durch einen Präventivschlag zuvorkommen sollte, wird dann schon eher zum Gesprächsstoff in den Wohnzimmern. So wie die Fernsehbilder mit den Särgen der Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan oder die Nachrichten über Terroristengruppen und Anschlagsversuche bei uns im Land.
All diese Dinge begleiten uns seit Jahren. Anschläge auf Botschaften, die Ermordung von Theo van Gogh, das Bombenattentat auf die Passagiermaschine über Lockerbie oder inszenierte Massendemonstrationen und Krawalle in Afrika, weil in Dänemark Karikaturen in einer Zeitung abgedruckt wurden. (Ich wusste bis dahin gar nicht, welche Verbreitung dänische Medien auf der Welt haben – bis in die Orte, in denen man weder sie noch überhaupt etwas lesen kann.) Und über allem schweben dann noch die permanenten Botschaften eines Terrornetzwerkes al-Qaida, das die nicht-muslimische Welt mit Tod und Krieg bedroht.
Die genannten Beispiele spiegeln nur einen kleinen Ausschnitt wider. Ich will mich mit keiner der einzelnen Begebenheiten inhaltlich weiter befassen, sondern eigentlich nur die Frage aufwerfen, ob die fast täglichen Gewaltmeldungen nicht zwangsläufig bereits zur inneren Abwehr bei anderen Menschen führen müssen. Der Islam wirkt in der heutigen Zeit alles andere als vertrauenstiftend. Natürlich weiß ich, dass eine Religion missbraucht werden kann und nicht für alle Dinge verantwortlich zu machen ist, die in ihrem Namen geschehen. Aber die Reinwaschformel »der und der Attentäter war ein Verbrecher oder Geisteskranker, er kann gar kein Moslem gewesen sein, weil der Islam eine Religion des Friedens ist«, ist ein bisschen flach. Sie steht auch im Widerspruch zum Anwerben durch Repräsentanten oder in Moscheen sowie zur Ausbildung von Menschen als Mujahid und der Verheißung des ewigen Lebens im Paradies nach dem Tod als Märtyrer. Um angstbelastete Dinge macht man für gewöhnlich einen weiten Bogen.
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