Neuland
ist.
Ist ein Schamane … im Grunde … ein Doktor? Er lässt nicht locker.
Das auch.
Und was sonst noch?
Alles Mögliche.
Zum Beispiel?
Das wirst du nicht verstehen.
Stell mich auf die Probe.
Das wirst du nicht verstehen.
Er wird das nicht verstehen. Das ist völlig gegen seinen Gringo-Verstand.
Alfredo? Er gibt nicht so schnell auf.
Si , Mister Dori.
Gehst auch du … manchmal zu einem Schamanen?
Ja.
Wann warst du zum letzten Mal?
Vor einem Jahr.
Warum?
Ich hatte so etwas, was deine Mutter gehabt hat, möge sie in Frieden ruhn. Einen Tumor.
Du hattest ein Krebsgeschwür?
Ja.
Und der Schamane hat dir geholfen?
Er hat mich totalmente geheilt.
Wirklich? Wie?
Er hat mir erklärt, dass ich nicht gesund lebe. Dass ich zu viele Tote im Monat sehe. Dass der Tod ansteckt. Er hat gesagt: Kümmer dich nur noch um solche Fälle persönlich, bei denen du zumindest eine kleine Chance siehst, den Menschen lebendig zu finden. Die hundertprozentig aussichtslosen Fälle, die Leichen überlass lieber deinenAssistenten.
Und das hat deinen Krebs geheilt?
Ja.
Daran glaub ich nicht.
Ich hab dir ja gesagt, Mister Dori, dass du das nicht verstehst.
Aber –
Schau doch, wie schön es hier ist, sage ich ihm, weil mir das Gespräch zu anstrengend ist, und zeige ihm eine Schülerin, die uns entgegenkommt, in einem Rock, der bis zu den Strümpfen reicht,und in Strümpfen bis zum Knie. Und in so einer weißen Bluse, wo du dir vorstellen kannst, wie reizvoll es sein muss, ihr die Knöpfe abzureißen.
Come on, Alfredo, you are a pedófilo , sagt Mister Dori.
Qué pedófilo , willst du mir erzählen, dass er dir nie steht, mitten in der Stunde?
Nein, sagt er mir, so etwas spüre ich beim Unterrichten nicht.
Das glaub ich nicht, sage ich, das glaub ich dir nicht. Wenn so eine Schülerin nach der Stunde zu dir kommt, und die halbe Brust quillt ihr raus, ich glaube nicht, dass du sie dann nicht aufknacken willst wie ein Hühnchen.
Nein, sagt er mir. Das sind kleine Mädchen, und kleine Mädchen lösen bei mir grundsätzlich nichts anderes aus als … als Vatergefühle.
Was dann löst bei dir irgendwas aus – ich schreie schon fast –, Ziegen, Esel, Männer?
Meine Frau, antwortet er mir, ganz unaufgeregt, meine Frau erregt mich.
Hast du ein Bild von ihr?, frage ich. Jetzt möcht ich schon wissen, wie diese Frau aussieht, die ihn so um den Ring wickelt.
Ich habe ein Bild von uns dreien zusammen. Aber es gibt Dinge, die sieht man nicht auf einem Foto. Die Persönlichkeit, den Charakter, interessantes Denken.
Was ist das alles gegen einen schönen Arsch, sage ich lachend und staune, dass Dori auch lacht. Nein, wirklich, nutze ich die Gelegenheit, dass er einen Moment zugänglich ist, erklär mir bitte, was meinst du mit »Persönlichkeit«?
Klugheit zum Beispiel. Ich finde Klugheit wahnsinnig sexy, sagt er. Und auch Entschlossenheit. Und Komplexität: viele entgegengesetzte Kräfte in derselben Frau –
Come on , jetzt zeig schon das Bild.
Du fährst gerade.
Zeig mir das Bild, Amigo. Sonst denke ich, du lügst mich an … und das wäre nicht gut für das Vertrauen zwischen uns.
Mister Dori zieht ein Bild aus seinem Pouch – langsam, so als täte er mir einen großen Gefallen, und ich werfe ein Auge auf die Straße und eins auf seine Frau.
Schau auf die Straße.
Don’t you worry –, er schaut weiter auf das Foto –, ich brauche nur ein paar Sekunden, um alles zu erfahren, was ich brauche.
Sie ist wirklich schön, seine Frau. Eine Schönheit, die die Gringos lieben. Schlank wie ein junges Mädchen, nicht wie eine Mama. Kein Arsch. Kleine, schöne Brüste. Dass sie schön sind, sieht man daran, wo die Falten auf ihrer Bluse sitzen. Braune lange Locken. Grüne Schlitzaugen, fast chinesisch. Nicht sehr groß, aber stark. Sie weiß etwas, was du nicht weißt. Ihre Augen haben etwas Hartes, keine Weichheit, obwohl sie auf dem Bild lacht. Obwohl ihr Sohn neben ihr steht, zwischen ihr und Mister Dori. Ihre Augen sind hart. Und schön. Sie will bestimmt immer oben sein, im Bett. Sie fickt nicht viel. Hat immer Wichtigeres zu tun. Aber wenn sie mal fickt, dann geht sie aufs Ganze, dass dir der Kopf wegfliegt. Ich schaue mir auch ein bisschen ihren Sohn an und gebe ihm das Foto zurück.
Nun, hast du erfahren, was du brauchst?, fragt er. In seiner Stimme ist etwas ganz leicht Abschätziges, so fein wie eine gute Tortilla. Ja, sage ich. Ich habe verstanden, dass deine Frau – dass man besser mit ihr ist als gegen
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