Neuland
Begierde, dass, wenn sie ein wirklich gutes Buch las, ihre Temperatur anstieg), und sie hatte eine besondere Lampe aufgehängt, die sie bei einem Ejtan im Industriegebiet in Netanja gekauft hatte, eine Lampe, die auf alles ein ganz neues Licht warf. Dori kam immer spät ins »Café«, denn das waren ihre Stunden. Dann las sie, bereitete Kataloge für Ausstellungen vor, redete mit Großmutter Simona, ihrer Mutter, als die noch lebte. Dabei aß sie einen der Käse, die sie bei Abu Daud auf dem Markt gekauft hatte, und spülte ihn mit heißem Tee herunter, der mit einem Viertel Teelöffel Zucker gesüßt war.
Auch als er jünger war, war es so gewesen: Sein Vater und Ze’ela gingen gerne früh schlafen, er und seine Mutter unterhielten sich bis tief in die Nacht bei Tee und Käse. Egal, worüber sie sprachen, auch wenn sie ihm gegenüber kritisch war, endete für ihn doch jedes Gespräch mit dem Gefühl, dass er sich richtig entschieden hatte.
(Als Roni in Barcelona war, hatte Neta pausenlos über geheimnisvolle Schmerzen geklagt. Aber wo genau tut es dir denn weh, hatte er immer nachgefragt, im Fuß? Nein. Im Bauch? Nein. Im Kopf? Nein. Ja wo denn dann?
In der Mama tut es mir weh, hatte er schließlich gesagt, in der Mama.)
Was würde er geben für eine Zeitmaschine, die ihn jetzt zu seiner Mutter brächte. Zu seiner Mutter vor der Krankheit. Aber Moment – ihm schießt ein Gedanke durch den Kopf –, mein Vater hat diese Zeitmaschine ja entdeckt, nach der ich mich gerade so sehne. Was, verdammt noch mal, soll ich denn machen? Sie ihm verwehren?
Mit Ze’ela kann er sich nicht beraten. Nein, sie würde schon bei dem Wort »Drogen« hysterisch werden. Er verlässt sein Zimmer und geht erwartungsvoll zu Alfredo in den Caravan, um dessen Telefon zu benutzen. Er will Roni anrufen, scheißegal, was das kostet. Doch als er die Hand ausstreckt, um an die Tür zu klopfen, ertönt von drinnen das eindeutige Stöhnen einer Frau, die kurz davor ist, auf dem Gipfel ihres Orgasmus eine Flagge zu hissen. Dieser Hurensohn, flucht Dori und schlägt mit der geballten Faust gegen die Tür. Was soll denn das? Wie kann es dieser Alfredo wagen, eine Orgie zu feiern, während er seinen Vater suchen soll! Dori geht von den Schlägen zu Tritten über, zu starken Tritten, bis Alfredo keine Wahl hat und ihm öffnet, im seidenen Bademantel eines Tycoon, und ihn fragt, qué tal , Amigo?
Ich bin … gerade … ein bisschen beschäftigt.
Freut mich, dass du es dir gut gehen lässt, sagt Dori, ohne zu lächeln. Er bittet um das Satellitentelefon, nimmt es, bedankt sich nicht, er will Alfredo ganz klarmachen, wer hier der Arbeitgeber und wer der Angestellte ist, und entfernt sich einige Schritte, ruft Roni an, betet, dass jetzt nicht gerade besetzt ist, und sie nimmt ab, und plötzlich, als gäbe es nichts anderes zu besprechen, möchte er sie am liebsten fragen, warum ihre Höhepunkte nicht mehr so gewaltig sind wie früher, doch stattdessen sagt er ihr, es sei gut, ihre Stimme zu hören, und sie fragt, von wem ist denn diese Nummer, und er antwortet, von Alfredo, ich habe mein Handy … zu Hause vergessen, vollendet sie seinen Satz, auf dem Tisch im Wohnzimmer. Soll ich es dir mit FedEx schicken? Im Grunde … das ginge ja – er staunt zum millionsten Mal über ihren praktischen Sinn –, aber im Moment weiß ich gar nicht, wohin genau du es schicken könntest. Morgen sind wir schon nicht mehr hier, und ich habe keine Ahnung, wo wir übermorgen sein werden. Wie läuft es denn?, möchte sie wissen, erzähl doch ein bisschen. Er gibt ihr eine Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse und berichtet auch die aufregenden Neuigkeiten über seinen Vater. Wow, sagt sie, mit einer Stimme, die überhaupt nicht nach Wow klingt. Wer hätte dasgedacht. Er wartet, dass sie noch etwas sagt, aber in der Leitung ist eine Stille zu hören, die über die normale Verzögerung hinaus andauert. Deshalb fragt er sie, was er ihrer Meinung nach tun solle, denn es könne sein, dass sein Vater sich in Gefahr befinde, und sie – er meint das Klicken der Tastatur zu hören, er hat den Eindruck, sie arbeitet, während sie mit ihm redet –, sie sagt, sie an seiner Stelle würde Alfredo jetzt führen lassen, er gelte als hervorragend und sehr professionell, und bisher, das müsse er zugeben, habe er gute Instinkte gehabt, was nicht heiße, dass Dori ihm nicht sehr genau auf die Finger schauen solle und auf keinen Fall dürfte er naiv sein, denn er habe manchmal die
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