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Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Titel: Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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das persönlich«, brummte sie. Offenbar traut er mir das nicht zu, glaubte Jolin herauszuhören. »Einen Moment lang müssen Sie sich allerdings noch gedulden.«
    »Vielen Dank«, sagte Jolin und nickte der Schwester freundlich zu, ehe diese den Raum verließ und die Tür geräuschvoll schloss.
    Hinter dem Fensterglas trieb der Wind dicke graue Wolken über den Himmel, dazwischen blitzte hier und da ein hoffnungsvolles Stückchen Blau hervor. In genau einer Woche war der Februar zu Ende. Der März begann und damit aus meteorologischer Sicht der Frühling.
    Jolin betrachtete ihre Arme. Sie sah Roubens Hände, wie sie zärtlich über den Gips strichen, und fragte sich, warum er gestern nicht bei ihr zu Hause vorbeigekommen war. Nicht dass ihr langweilig gewesen wäre, nein. Anna, Melanie, Susanne und Klarisse hatten sie besucht, und später am Abend hatte sie stundenlang mit Leonhart telefoniert, der wissen wollte, wann sie wieder zur Schule kam, und dann nur noch über Carina geredet hatte. Offenbar gab es Probleme, weil Carina sich nicht wirklich fallen lassen konnte. Dabei hatte sie überhaupt keinen Grund, Leo zu misstrauen. Er war der feinste Kerl unter der Sonne, der Einzige im Übrigen, der Jolin in der dunklen Zeit des vergangenen Jahres beigestanden hatte, und er würde ganz sicher auch Carina nicht im Stich lassen. Dafür hatte er sie viel zu gern.
    Jolin seufzte leise. Inzwischen hatte sie Rouben seit fast achtundvierzig Stunden nicht gesehen. Sie fand es zwar albern, aber leider musste sie sich eingestehen, dass er ihr schrecklich fehlte. »Du hättest wenigstens anrufen können«, murmelte sie. Ihr Blick fiel zur Tür, hinter der ihr Vater auf dem Gang stand und wartete. »Und diese blöde Ziege von einer Krankenschwester hätte dich ruhig mit reinlassen können«, fügte sie wütend hinzu.
    Wie auf Kommando flog die Tür auf, und Doktor Kehlrand wehte, begleitet von einem kühlen Luftzug, in den Raum. Er war hoch aufgeschossen, und die feinen, ein wenig aus der Form geratenen weißblonden Haare standen wie elektrisiert von seinem Kopf ab.
    »Seien Sie mir gegrüßt, mein liebes Fräulein Johansson«, sagte er und streckte Jolin lachend seine Hand entgegen.
    Sie zuckte grinsend mit den Schultern, und er schüttelte noch immer lachend den Kopf. »Wie konnte ich mich bloß so vergessen!«, seufzte er und schlug stirnrunzelnd die Krankenakte auf. »Mein werter Herr Kollege ist also der Meinung, dass der Gips herunterkann …«
    »Sie nicht?«, fragte Jolin.
    »Wenn ich mir den Grad der Zerstörung vor Augen halte und die kurze Zeit, in der das alles verheilt sein soll – nein! … Wenn ich mir allerdings das Röntgenbild von vorgestern ansehe, dann ja. Es sei denn, es liegt eine Verwechslung vor«, fügte er hinzu und schürzte nachdenklich die Lippen.
    »Ich hoffe nicht«, sagte Jolin.
    »Ist auch eher unwahrscheinlich«, murmelte Doktor Kehlrand. Er klemmte drei Röntgenbilder unter die Metallleiste der Leuchtwand und ließ das Verdunkelungsrollo herunter. »Ausgeschlossen«, sagte er schließlich, nachdem er die Aufnahmen eine Weile eingehend betrachtet hatte. »Das sind ganz eindeutig alles Ihre Knochen.« Nacheinander tippte er mit der Spitze eines Laserpointers auf die Bilder. »Hier in Form einer aufgeplatzten Dose Leipziger Allerleis, dort vor knapp zwei Wochen während der Kallusbildung am treffendsten wohl mit einer angebissenen Bulette vergleichbar … Und hier so, als hätte ein Kind seine Lieblingsspeise vom Teller geleckt …« Er sah Jolin beinahe vorwurfsvoll an. »Man könnte sogar annehmen, der Teller käme frisch gespült aus dem Schrank.«
    »Aber das ist doch gut«, sagte Jolin. »Oder nicht?«
    »Natürlich ist das gut, mein Kind«, erwiderte Doktor Kehlrand. Er schaltete die Leuchtwand aus, zog die Röntgenaufnahmen aus der Halterung und ließ das Rollo wieder hoch. »Ein wenig ungewöhnlich vielleicht, aber davon abgesehen ganz wunderbar.«

    Eine Viertelstunde später war Jolin wieder allein. Der Gips war ab, und das kreischende Geräusch der Rundsäge hallte ihr noch in den Ohren. Schwester Ingrit hatte die Gipsstücke mit ungerührt finsterer Miene eingesammelt und war dem Arzt sofort und ohne einen einzigen Ton von sich zu geben auf den Gang hinaus gefolgt.
    »Und jetzt?«, murmelte Jolin und sah ratlos zur Tür. Ob sie nun gehen könne oder noch warten müsse, hatte ihr nämlich keiner von beiden gesagt.
    Kopfschüttelnd senkte sie den Blick und betrachtete ihre Hände.

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