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Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Titel: Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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wieder einholen.
    Jolin wollte nur noch nach vorn sehen, aber genau das machte Rouben ihr nicht gerade leicht.
    »Wo bist du?«, flüsterte sie, da bemerkte sie hinter einer der oberen schwarzen Fensterhöhlen einen Schatten. Das kann nicht sein, dachte sie. Schwarz ist schwarz, dunkler geht es nicht. Und trotzdem, sie sah es jetzt ganz deutlich: Da stand jemand. Er war groß und schlank, sein Haar war kurz und verstrubbelt, und sein Gesicht war blass. Viel zu blass!
    Rouben sah zu ihr hinunter. Sein Blick hatte etwas Fremdartiges, etwas, das nicht zu ihm passte. Und dann war er auch schon wieder in die Dunkelheit des Hauses zurückgetreten.
    »Hast du das auch gesehen?«, fragte Jolin rau, doch ihr Vater schien sie nicht zu hören. Unwillkürlich machte sie einen Schritt nach vorn, und einen Moment später stand sie auf dem brüchigen Plattenweg, der auf die Haustür zuführte.
    Es war in hohem Maße unvernünftig, aber sie konnte nicht anders. Irgendetwas hier war nicht, wie es sein sollte, und Jolin musste herausfinden, was es war.
    Ihr Herz überschlug sich fast, während sie sich der Tür näherte. Der Knauf war kalt, so kalt, dass die feine Schweißschicht in ihrer Handfläche zu Eis gefror, als sie ihn berührte. Jolin zuckte zurück. Erst jetzt fiel ihr auf, dass die winterwelke Grasfläche des Gartens mit feinen Glitzerkörnchen übersät war. Dem Rhythmus einer stummen Melodie folgend hoben sie sich aus den Halmen hervor, tatsächlich schienen sie wenige Zentimeter über dem Boden zu tanzen, bis urplötzlich eines von ihnen emporschnellte und im Kragen von Jolins Mantel verschwand. Es brannte kurz und heftig wie ein Glutpartikelchen, das aus dem Feuer gesprungen war, und Jolin schlug erschrocken danach. Hektisch riss sie den Reißverschluss auf und zerrte an ihrem Pulli. Der brennende Schmerz war zwar verflogen, aber der Schreck saß ihr noch in den Gliedern.
    Die Glitzerkörnchen hatten ihren Tanz beendet und lagen nun wieder nahezu unmerklich vor sich hin funkelnd im Gras. Doch Jolin glaubte verstanden zu haben. Das Gegenspiel von Hitze und Kälte kannte sie viel zu gut, um es je wieder ignorieren zu können. Von tiefer Panik ergriffen, rannte sie los, stürzte stolpernd über den brüchigen Plattenweg zur Pforte zurück, riss die Wagentür auf und ließ sich auf den Sitz fallen.
    »Er ist nicht mehr hier!«, stieß sie hervor. Dann brach sie in Tränen aus.
    Gunnar Johansson, der gleich nachdem seine Tochter die Gartenpforte geöffnet und sich auf das Haus zubewegt hatte, wieder in den Mondeo gestiegen war, reagierte bestürzt. »Jolin, mein Mädchen, was ist passiert?«, rief er, schlang seine Arme um sie und drückte sein Gesicht so tief in ihre Haare, dass seine Brille auf die Stirn hinaufgeschoben wurde. »Rouben ist nicht mehr hier. – Wie meinst du das?«, setzte er im allmählichen Begreifen überrascht hinzu.
    Jolins Tränen versiegten schlagartig. Sie atmete noch einmal tief ein und aus, dann machte sie sich los, richtete sich kerzengerade auf und blickte stur durch die Frontscheibe auf den Schotterweg hinaus.
    »Würdest du bitte nach Hause fahren?«, presste sie tonlos hervor. »Sofort!«
    »Aber …?« Gunnar schüttelte den Kopf. »Ich …«
    Jolin sah ihn nicht an. Sie konnte nicht mit ihm reden, konnte ihm nichts erklären. Niemand außer ihr wusste, wer Rouben wirklich war. Nur sie kannte seine Eltern, seinen untoten Halbbruder und dessen Familie. Wenn ihr Vater oder Paula auch nur ahnten, an wen sie ihr Herz verloren hatte und welcher Gefahr sie dadurch bereits ausgesetzt gewesen war, sie wären wahrscheinlich durchgedreht. Unter Garantie hätten sie sie auf der Stelle weggebracht und in irgendeiner Einöde am Ende der Welt versteckt.
    »Bitte, Pa«, wisperte sie. »Es ist schon gut. I-ich bin wohl ein bisschen …«
    »Hysterisch?«
    Jolin nickte. So etwas durfte auch nur ihr Vater sagen. Wenn dieses Wort aus Paulas Mund gekommen wäre, hätte sie ganz bestimmt nicht ruhig bleiben können. »Du hast recht. Ich habe mir wohl wirklich zu sehr gewünscht, dass er mich ins Krankenhaus begleiten und dabei sein würde, wenn sie mir den Gips abnehmen.«
    »Und du verstehst nicht, warum er es nicht getan hat?«
    »Nein, das verstehe ich nicht, Pa. Und deshalb möchte ich jetzt auch nicht mehr hier sein, sondern so schnell wie möglich nach Hause.«

    »Da seid ihr ja endlich!«, hallte Paula Johanssons Stimme ihnen entgegen, kaum dass sie in den Flur getreten waren. Es klang eher

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