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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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verstauchen. Er war in ziemlich schlechter Form und die Strapazen ihres Aufstiegs begannen, ihre Wirkung zu zeigen. Es schien beinahe anstrengender, die Steigung hinabzugehen, als sie hochzuklettern.
    Sie suchten den bequemsten Platz am Rand des Flussbetts und rollten dort die Schlafsäcke aus.
    Als sie es sich gemütlich machten, schauderte Natalia. „Jetzt, wo wir uns nicht mehr bewegen, ist mir ziemlich kalt.“
    „Ich traue mich nicht, ein Feuer zu machen.“
    „Ich weiß.“
    „Wir müssen einfach etwas zusammenrücken“, sagte Leonard und lehnte sich zu ihr.
    Sie rutschte einige Zentimeter zu ihm. „Dad?“
    „Ja?“
    „Was ist vor drei Wochen passiert?“
    „Hä?“
    „Du hast dich in den letzten drei Wochen ziemlich anders verhalten. Mom hat aber gesagt, du hast von dem Fluchtplan erst im letzten Moment erfahren.“
    „Das stimmt.“
    „Also was ist vor drei Wochen passiert? Hast du etwas gestohlen? Hast du Mom betrogen?“
    Ihn überraschte eine Woge der Angst. Was sollte er nur sagen?
    „Ich meine“, fuhr sie fort und tat so, als ob ihr die Antwort egal wäre. „Für irgendetwas musst du dich ja schuldig fühlen. Sonst wärst du nicht plötzlich so nett zu uns.“
    „War ich wirklich ein so schrecklicher Vater?“
    „Du weichst meiner Frage aus.“
    Er schüttelte traurig den Kopf. „Ich weiß es nicht.“
    „Was?“
    „Ich weiß nicht, was vor drei Wochen passiert ist.“
    „Wenn du es mir nicht erzählen willst, dann sag das doch einfach.“
    „Willst du wirklich die Wahrheit hören?“
    „Ja.“
    Leonard begann, von seinem früheren Leben und der Zeitmaschine zu erzählen. Er erklärte, wie überrascht und erfreut er darüber war, in dieser neuen Realität eine Familie zu haben.
    Natalia hörte eine Weile konzentriert zu, brach jedoch schließlich in Lachen aus. „Das reicht, Dad. Für wie dämlich hältst du mich eigentlich?“
    „Es ist die Wahrheit, Nat.“
    „Ich bin nicht bescheuert.“
    Leonard kroch in seinen Schlafsack, starrte das Blätterdach der Bäume an und wünschte sich, er könnte die Sterne sehen. „Deine Mutter glaubt, dass das ABV an meinem Gehirn herumexperimentiert hat.“
    Natalia berührte ihn an der Schulter. „Das ergibt schon eher Sinn.“
    Er seufzte. Was wusste er schon? Vielleicht war das wirklich geschehen.
    ***
    Leonard erinnerte sich nicht daran, wie er eingeschlafen war, aber als er aufwachte, flimmerte das Sonnenlicht durch die Bäume. Die feurige Kugel stand hoch am Himmel und tauchte das gesamte umliegende Gebirge in Licht, Leonard vermutete daher, dass es schon lange nach Sonnenaufgang war. Er sprang aus seinem Schlafsack, zog den Kapuzenpulli aus und suchte den Kompass. Dann ging er aufs freie Feld hinaus. Der Fluss, dem sie gefolgt waren, verlief Richtung Osten und er begann irgendwo auf der Spitze eines sehr steilen Berges, eindeutig nicht der richtige Weg. Zu Leonards Freude würde ihn der niedrigste Berg mit dem langsamsten Anstieg Richtung Nordwesten führen. Es gab keine Bäume, die Schutz vor der Sonne bieten konnten, aber ein trockenes Flussbett würde ihnen als Weg dienen. Es würde nicht einfach werden, aber es war ganz offensichtlich die beste Route.
    „Perfekt.“
    Natalia erschien an seiner Seite. „Sieht es gut aus?“, fragte sie hoffnungsvoll und zog ihren Kapuzenpulli aus.
    „Wir müssen lediglich über diesen Berg“, sagte er, deutete auf den Hang und versuchte es dabei ganz einfach klingen zu lassen. Sie würden sicherlich einige Stunden dafür benötigen. Leonard konnte von ihrem derzeitigen Standpunkt aus die Entfernung nicht genau einschätzen. Dennoch lächelte er seine Tochter an.
    Sie schreckte besorgt zurück. „Dad, du siehst ja schrecklich aus.“
    „Hä?“
    „Dein Gesicht. Du bist voller getrocknetem Blut und dein Auge ist zugeschwollen.“ Sie streckte den Arm aus, um die Stelle anzufassen, zog ihre Hand jedoch wieder zurück, bevor sie die Schwellung berührte.
    Ihre Bemerkung ließ ihn plötzlich das dumpfe Pochen in seinem Kopf wahrnehmen. Er berührte das zugeschwollene Auge vorsichtig. Dann zuckte er mit den Schultern. „Mir geht’s gut.“
    Sie prustete.
    „Ehrlich, mir geht’s gut.“
    „Du hast gelogen.“
    „Worüber?“
    „Du hast gesagt, sie haben dir nichts getan. So wie’s aussieht, haben sie dich aber geschlagen.“ Sie betrachtete sein Gesicht von beiden Seiten. „Scheinbar mehr als ein Mal.“
    „Tut mir leid, Nat. Als du mich gefragt hast, schien es nicht der richtige

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