Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
Anweisungen auf dem Wasseraufbereitungspaket lesen kann.“
„Oh.“
„Ich will nur sicherstellen, dass ich weiß, welche Flasche welche ist“, erklärte er. „Ich denke nur etwas voraus.“
„Gute Idee.“
Unglücklicherweise kamen Leonard und Natalia nur einige Minuten später am Ende der Straße an. Ein Fluss verlief links von ihnen und Leonard hoffte, dass er Richtung Süden oder Südwesten führte, aber er war sich nicht mehr sicher.
Sie setzten sich hin, tranken etwas aus der Flasche mit dem sauberen Wasser und versuchten, sich ein Verpflegungspaket zu teilen. Es war nicht gerade angenehm, etwas zu essen, das man erst identifizieren konnte, wenn man es schon im Mund hatte. Aber nach ein paar Bissen konnte Leonard herleiten, dass das Menü aus Chili, Crackern, einer Art Streichkäse und einem kleinen Fruchtgetränk bestand. Obwohl alles andere als schmackhaft, verlieh ihnen die dürftige Portion dennoch einen Energieschub. Leonard bemerkte erst wie müde und schlapp er geworden war, nachdem sie ihre fade Mahlzeit aufgegessen hatten.
„Wir könnten uns hier kurz ausruhen und etwas Schlaf nachholen“, sagte er. „Andererseits denke ich, dass wir so weit wie möglich vorankommen sollten, solange es noch Nacht ist und wir so nahe an der Klinik sind.“ Er sah auf seinen bloßen Arm. „Ich habe keine Ahnung, wie viel Uhr es ist. Hast du eine Uhr?“
„Nein.“
„Wir könnten noch sechs Stunden haben. Oder auch nur zwei. Die Soldaten werden nicht bemerken, dass wir verschwunden sind, bis sie am Morgen sehen, dass wir nicht im Steinbruch sind. Je weiter wir kommen, desto besser. Außerdem haben wir gerade gegessen. Das dürfte uns noch eine Weile auf den Beinen halten.“
„Was ist mit Tieren? Bären und… Ähnliches.“
Leonard atmete tief ein. „Das Risiko besteht immer. Aber ich laufe lieber einem Bären über den Weg, als wieder zurück in eine Gefängniszelle zu müssen.“
„Okay“, stimmte Natalia zu.
„Wir sollten dem Fluss folgen. Lass uns gehen.“
„Was, wenn uns der wieder zurück zur Klinik führt?“
Leonard runzelte die Stirn. Die Möglichkeit bestand.
„Dad?“
Er verzog den Mund und dachte über die Situation nach.
„Die Wachtürme haben sicherlich Suchscheinwerfer. Ich habe nirgends Scheinwerferlichter gesehen.“
„Und die wären wohl kaum zu übersehen.“
Plötzlich überkam Leonard eine Woge des Optimismus. „Genau genommen ist das noch ein guter Grund dafür, im Dunkeln zu reisen. Wir werden rechtzeitig gewarnt, wenn wir uns zu nah am Gefängnis aufhalten… oder vielmehr der Klinik… oder was auch immer.“
Natalia fasste ihn an der Schulter. „Ich bin bereit aufzubrechen, wenn du es bist.“
Leonard führte seine Tochter zum Flussufer. Der Fluss schien momentan nicht sehr hoch zu stehen. Das sollte sich für die beiden Reisenden als vorteilhaft erweisen. Obwohl er ziemlich steinig war, schien es einfacher, den Weg durch das Flussbett zu bewältigen als den durch den Wald. Sie kamen in mäßigem Tempo voran, während riesige Bäume über ihnen aufragten. Aus dem Ziehen in seinen Knien leitete Leonard ab, dass sie nach und nach aufwärts stiegen.
Nach etwa drei Kilometern verringerte sich die Baumdichte und die Steigung nahm immer mehr zu. Sie tauchten zwischen den Bäumen auf und ihre Atmung wurde mit jedem Schritt schwerer.
Leonard dachte darüber nach, in den Schutz der Bäume zurückzukehren und auf den Tagesanbruch zu warten. Einem Fluss zu folgen würde sie wahrscheinlich zu einem Berg führen, aber dort, wo ein Fluss hinabfließt, ist nicht unbedingt der beste Ort, um bergauf zu steigen. Der Gedanke ließ ihn nicht in Ruhe. Während sie weitergingen, verschwanden die Sterne nach und nach, aber der Himmel wurde nicht heller. Leonard sah nach oben. Die Sterne leuchteten immer noch hell am schwarzen Himmel. Was auch immer vor ihnen lag, versperrte offensichtlich die Sicht auf die Sterne am Horizont. Sie schienen in eine Art Höhle hineinzulaufen. Schließlich traf Leonard eine Entscheidung.
Er drehte sich um und sagte: „Wir müssen dort drüben unter den Bäumen warten.“
Natalia blieb stehen und stöhnte. „Warum?“
„Ich muss diese Berge bei Tageslicht sehen, um zu entscheiden, was die beste Route ist und um zu wissen, in welche Richtung wir überhaupt laufen.“
Sie gingen zurück zu den Bäumen. Leonard versuchte sich zu bremsen und mäßigte sein Tempo, in der Hoffnung, sich nicht das Knie zu verdrehen oder einen Knöchel zu
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