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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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sich Leonard hinaus. Er suchte den Himmel in jede Richtung, soweit er blicken konnte, ab. Er entdeckte nichts. Die letzten Geräusche ließen darauf schließen, dass die Hubschrauber allmählich Richtung Norden verschwanden, vielleicht um erneut Kreise zu ziehen und dabei die Landschaft nach ihnen abzusuchen. Wenn er um seine Ersparnisse spielen müsste, würde er voller Zuversicht darauf wetten, dass die Helikopter zurück zur Klinik geflogen waren. Würden sie am Nachmittag wieder zurückkommen? Das konnte er nicht mit Sicherheit wissen.
    „Sind sie weg?“, flüsterte Natalia.
    „Fürs Erste.“
    „Willst du aufbrechen?“
    „Ja. Lass uns zusammenpacken.“
    Natalia starrte auf den Berghang. „Es gibt keinen Schutz.“
    „Das kann ich sehen, Nat. Aber wir haben keine andere Wahl.“
    „Wir könnten nachts losgehen. Letzte Nacht hast du gedacht, es wäre besser, nach Einbruch der Dunkelheit zu reisen.“
    „Dieser Aufstieg wird im Dunkeln wesentlich schwerer. Außerdem haben wir nur dreizehn Verpflegungspakete und müssen noch kilometerweit laufen.“
    Natalia runzelte die Stirn. „Wie weit ist es denn bis Grand Junction?“
    Leonard wurde das Herz schwer. Er hatte seiner Tochter versprochen, ehrlich zu sein, aber besonders diese Frage wollte er ungern beantworten. Je nachdem, wo genau sie wieder auf die I–70 kamen, könnten es bis zu ihrem Ziel noch um die dreihundertzwanzig Kilometer sein. Wenn sie pro Stunde ungefähr drei oder vier Kilometer schafften, bräuchten sie zehn, vielleicht sieben Tage, wenn sie an ihre Grenzen gingen. Aber wie oft würden sie aufgehalten werden, weil sie sich vor ihren Verfolgern in den Büschen verstecken mussten? Und was war, wenn sich auf der I–70 Patrouillen befanden und sie auf Nebenstraßen weiterreisen mussten? Außerdem, wie lange würden sie mit dreizehn EPas auskommen? Sie hatten in weniger als vierundzwanzig Stunden schon zwei Verpflegungspakete gegessen. Sie müssten nach anderen Nahrungsquellen Ausschau halten, aber Leonard konnte eine Beere nicht von der anderen unterscheiden, noch wusste er, welche Pilze giftig waren.
    „Dad?“
    „Sagen wir einfach, es ist noch weit. Wir müssen zusammenpacken und aufbrechen.“
    „Wie weit? Wie lange werden wir brauchen?“
    „Eine Woche. Vielleicht länger.“
    Natalia riss die Augen weit auf; Bestürzung und Niedergeschlagenheit veränderten ihre Gesichtszüge.
    Leonard behielt einen gefassten Gesichtsausdruck bei. Er kehrte schnell zum Lager zurück und fing an, die Vorräte wieder einzupacken.
    ***
    Mittags den ungeschützten Hang eines Berges hinaufzusteigen, war nicht der schlaueste Plan gewesen. Die Sonne war durch die dünne, trockene Luft besonders aggressiv und brannte erbarmungslos auf sie herab. Obwohl es nicht mehr als dreizehn Grad warm war, konnte Leonard beinahe spüren, wie seine Haut verbrannte, während die Wucht der Sonnenstrahlen auf ihn prallte. Als sie etwa die Hälfte des Weges nach oben hinter sich hatten, wurden sie von mehreren Windböen überrascht. Der vorbeiziehende Wind milderte das brennende Gefühl für einen Augenblick, aber die Böen waren unberechenbar und unangenehm. Innerhalb einer halben Stunde verschwanden sie jedoch genauso schnell, wie sie gekommen waren.
    Obwohl es steil hinaufging, dauerte der Anstieg nicht so lange, wie Leonard gedacht hatte. Am Nachmittag waren die beiden Reisenden auf einen Pfad getroffen, der zum Kamm führte. Leonards Angst verflüchtigte sich langsam, aber er blieb weiterhin auf der Hut. Sie hatten immer noch keinerlei Möglichkeit, in Deckung zu gehen. Während der Reise versetzte die beengende Furcht, entdeckt zu werden, Leonard in Alarmbereitschaft – seine Ohren achteten auf das geringste Pochen und seine Augen suchten die Umgebung nach Hohlräumen als mögliches Versteck ab.
    Als sie schließlich am Gipfel ankamen, fingen beide gleichzeitig zu schnaufen an. Der Pfad führte an der Felswand entlang und schlängelte sich dann hinab in ein herrliches Tal, das nur so vor Bäumen strotzte. Natalia fing an hinunterzurennen, hüpfte und rutschte an steilen Stellen hinab und lief zur ersten Ansammlung von Bäumen.
    Leonard, eindeutig nicht so flink wie seine Tochter, eilte ihr, so schnell er konnte, hinterher. Er wollte sich dabei lieber keinen Muskel zerren. Als er bei Natalia ankam, fand er sie auf dem Rücken liegend und in die Bäume hinaufstarrend vor, neben ihr stand eine halb leere Wasserflasche.
    „Ich hoffe, das Wasser war mittlerweile

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