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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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beiden und lachte leise – es war das schmerzerfüllte, falsche Lachen eines gebrochenen Mannes. „Wenn meine Tochter mit mir zusammen flüchten würde, wäre ich der glücklichste Mensch auf Erden.“ Er räusperte sich und wurde plötzlich ganz sachlich. „Und jetzt geht.“
    Leonard sah sich um. Ihre eingeschränkte Sicht machte ihm Sorgen. „Gibt es irgendwelche Wachen, die nachts in dem Gebiet patrouillieren? Wir wurden am Stausee festgenommen. Ihr schient aus dem Nichts gekommen zu sein.“
    „Einer unserer Kadetten hat euch durch die Stadt durchfahren sehen. Er hat es seinem Offizier gemeldet. Schließlich wurde er geschickt, um euch zu folgen, aber ihr wart spurlos verschwunden, als er an der Absperrung ankam. Er hat Unterstützung angefordert und wir haben euren Wagen gefunden. Normalerweise ist hier so weit draußen keiner.“
    „Warum nicht? Hat man keine Angst, dass Gefangene flüchten könnten?“
    „Die Gefangenen, die hier leben, sind schwach aufgrund von Folterung, Sklaverei und Aushungerung“, antwortete Sanders müde. „Keiner rechnet damit, dass sie weiter als anderthalb Kilometer kommen.“
    „Oh.“
    „Ich muss jetzt gehen.“
    Eine Minute später waren Leonard und Natalia wieder alleine und das Geräusch eines Motors entfernte sich schleunigst.

Kapitel Zweiunddreißig

     
    Sie zogen schnell die Thermo–Kapuzenpullis an. Natalia musste ihren Ärmel mehrfach umkrempeln, aber sie waren beide der Meinung, dass die Pullis überraschend warm waren. Als sie fertig waren, liefen sie vorsichtig die Henderson Mine Road entlang. Es war schwer, sich durch die Schutthaufen vor ihnen zu kämpfen, aber je mehr sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, umso besser wurde Leonards Sehvermögen. Nachdem sie die Absperrung durchquert hatten, kamen sie auf dem Weg besser voran. Dennoch gingen sie immer noch langsam.
    „Wie kommst du zurecht, Nat?“
    „Ganz gut. Aber ich kann nicht weiter als ein paar Meter sehen“, beklagte sie sich. „Aber der Sternenhimmel ist wunderschön.“
    Leonard war nicht danach, den Himmel zu bewundern. „Achte auf die linke Seite der Straße. Ich will die Gabelung nicht verpassen.“
    Als sie den Feldweg Richtung Süden fanden, schmälerte dies seine Sorgen nur geringfügig. Seine Nerven waren aufs Äußerste gespannt und er horchte auf Hubschrauber, Fahrzeuge und Stimmen. Aber alles, was er hören konnte, waren Grillen und wie sich Tiere durch das Laubwerk bewegten.
    Sie schleppten sich durch ein freies Gelände mit Sandgruben.
    „Wir sind am Stausee vorbei“, sagte Leonard. „Ich wollte doch unsere leeren Flaschen auffüllen.“
    „Schon in Ordnung. Ich trinke ziemlich wenig. Wir finden bei Tageslicht bestimmt einen Bach.“
    „ Und ich kann unseren Kompass nicht benutzen. Fürs Erste ist die Straße die sicherste Wahl.“
    Sie kamen an mehrere Spitzkehren. Leonard betete, dass sie nicht einen steilen Berg hinaufführten. Aber die Spitzkehren hörten nach einigen Hundert Metern wieder auf und der Feldweg verlief weiter an einem Vorsprung entlang.
    „Dad…“
    „Ja?“
    „Ich… Ich muss auf Toilette.“
    „Kein Problem. Wir liegen gut in der Zeit.“
    „Aber…“
    „Na los. Da drüben zwischen die Bäume.“ Er deutete auf den Wald. „Aber geh nicht zu weit weg.“
    „Ich kann nicht einfach in den Wald pinkeln.“
    Leonard stemmte die Hände in seine Hüfte. „Ich will ja nicht unsensibel erscheinen, Nat, aber wir haben noch einen ordentlichen Weg vor uns. Du wirst lernen müssen, im Wald auf die Toilette zu gehen.“
    „Okay“, flüsterte sie widerwillig.
    Es kam Leonard wie eine halbe Ewigkeit vor, bis Natalia wieder zurückkam.
    „Ich hab’s geschafft!“ Sie schien sehr zufrieden mit sich selbst.
    „Also können wir jetzt weiter?“
    „Jupp.“
    Einen Moment blieb Leonard stehen und stöhnte.
    „Was ist?“, fragte Natalia.
    „Jetzt muss ich auch.“
    Sie lachte. „Na los, Dad. Da drüben zwischen die Bäume.“
    Es dauerte nicht lange und sie waren wieder unterwegs. Während sie liefen, versuchte Leonard krampfhaft das umliegende Gebiet zu mustern. Plötzlich bemerkte er einen großen, dunklen Bereich zu ihrer rechten Seite. Er näherte sich vorsichtig, falls sich rausstellen sollte, dass es sich um eine riesige Grube handelte. Glücklicherweise war es ein weiterer Stausee. Er füllte die leere Flasche und riss die Papierbanderole ab.
    „Was machst du da?“
    „Wir müssen es zuerst aufbereiten, aber ich muss warten, bis ich die

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