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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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kantige Dunkelheit. Seine Hand, die in den Lichtkegel der Lampe tauchte und zittrig auf sie deutete, wobei der Ärmel des Gewands hochrutschte und den Blick auf eine goldene Rolex und weitere Drachen mit wogenden Mähnen freigab, die kräftig und dunkel rings ums Handgelenk eingestochen waren und deuteten. Auf sie deuteten. »Verstehst du?« Sie hatte nicht geantwortet, sondern war davongelaufen und hatte sich in einem Versteck verkrochen, im Verschlag der kleinsten Reinigungsmaschinen. Die ganze Nacht tickten sie um sie herum und tasteten sie alle paar Minuten mit pinkfarben aufblitzenden Laserbündeln ab, bis ihr Vater sie suchen kam und sie, nach Whiskey und Dunhill-Zigaretten riechend, in ihr Zimmer im dritten Stock der Wohnung trug.
    Sie dachte an die Wochen danach, betäubte Tage, meist in Gesellschaft des einen oder anderen Sekretärs, besonnenen
Männern in schwarzen Anzügen mit automatischem Lächeln und fest zusammengerollten Regenschirmen. Einer davon, der jüngste und unbesonnenste, hatte ihr auf einem belebten Ginza-Bürgersteig im Schatten der Hattori-Uhr eine improvisierte Kendo-Demonstration vorgeführt, bei der er im Zickzack gekonnt durch erschrockene Verkäuferinnen und Touristen mit weit aufgerissenen Augen gewirbelt war und mit dem schwarzem Regenschirm, ohne Schaden anzurichten, die vorgeschriebenen, althergebrachten Bewegungsabläufe dieser Kunst vollführt hatte. Und Kumiko hatte gelächelt – ihr eigenes Lächeln – und die Totenmaske durchbrochen, wofür sich ihr Schuldgefühl augenblicklich tiefer und stechender in jene Stelle in ihrem Herzen bohrte, wo sie sich ihrer Schmach, ihrer Unwürdigkeit bewusst war. Meistens gingen die Sekretäre mit ihr jedoch zum Shopping in ein großes Ginza-Kaufhaus nach dem anderen sowie in Dutzende von Shinjuku-Boutiquen, die von einem Michelin-Führer aus blauem Plastik in steifem Touristen-Japanisch empfohlen wurden. Sie kaufte nur ganz hässliches Zeug, hässliches und sündhaft teures Zeug, und die Sekretäre schritten mit den Hochglanztüten in ihren harten Händen phlegmatisch neben ihr einher. Jeden Nachmittag wurden die Tüten nach der Rückkehr in die väterliche Wohnung fein säuberlich in ihrem Schlafzimmer deponiert, wo sie ungeöffnet und unberührt stehenblieben, bis die Zimmermädchen sie wegräumten.
    Und in der siebten Woche, am Vorabend ihres dreizehnten Geburtstags, wurde entschieden, dass Kumiko nach London gehen würde.
     
    »Du wirst Gast im Haus meines Kobun sein«, erklärte ihr Vater.
    »Aber ich möchte nicht weg«, erwiderte sie und zeigte ihm das Lächeln ihrer Mutter.

    »Du musst aber.« Er wandte sich ab. »Es gibt Schwierigkeiten«, sagte er zu dem abgedunkelten Arbeitszimmer. »In London bist du außer Gefahr.«
    »Und wann werde ich zurückkommen?«
    Doch ihr Vater gab keine Antwort. Sie verbeugte sich und verließ sein Arbeitszimmer, noch immer das Lächeln ihrer Mutter auf dem Gesicht.
     
    Der Geist erwachte bei Kumikos Berührung, als der Anflug auf Heathrow begann. Die einundfünfzigste Biochip-Generation von Maas-Neotek zauberte eine verschwommene Gestalt auf den Sitz neben ihr, einen Jungen aus einem verblichenen Jagdmotiv-Druck mit brauner Reithose und Reitstiefeln, der die Beine lässig übereinanderschlug.
    »Hallo«, sagte der Geist.
    Kumiko machte ein verblüfftes Gesicht und öffnete die Hand. Der Junge flimmerte und war weg. Sie sah das glatte, kleine Gerät in ihrer Hand an und schloss langsam die Finger.
    »Noch mal hallo«, sagte er. »Ich bin Colin. Und du?«
    Sie starrte ihn an. Augen wie hellgrüner Rauch, die hohe Stirn blass und glatt unter der widerspenstigen dunklen Stirnlocke. Durch seine blitzenden Zähne konnte sie die Sitze auf der anderen Seite des Ganges sehen. »Wenn’s dir ein bisschen zu gespenstisch ist«, sagte er grinsend, »können wir die Auflösung hochfahren …« Und einen Moment lang war er wirklich da, unangenehm scharf und echt; der Flor auf dem Revers seiner dunklen Jacke vibrierte geradezu vor halluzinatorischer Klarheit. »Geht aber auf die Batterie«, sagte er und verblasste wieder zu seinem vorherigen Zustand. »Hab deinen Namen nicht verstanden.« Wieder das Grinsen.
    »Du bist nicht echt«, sagte sie streng.
    Er zuckte mit den Achseln. »Nicht so laut, Miss. Die andern Passagiere könnten dich für ein bisschen absonderlich halten,
wenn du verstehst, was ich meine. Sprich stimmlos. Ich krieg alles durch den Hautkontakt mit.« Er nahm das Bein vom Knie und streckte sich,

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