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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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schließlich. »Das wohl nicht.« Er fuhr durch einen Kreisverkehr, vorbei an glänzenden Metallmarkisen und dem abendlichen Fußgängerstrom. »Na, was ist, hast du schon gegessen? Haben sie dir im Flugzeug was gegeben?«
    »Ich hatte keinen Hunger.« Eingedenk der mütterlichen Maske.
    »Na, Swain wird schon was für dich haben. Er mag japanisches Essen.« Petal schnalzte eigenartig mit der Zunge und blickte sich kurz zu ihr um.

    Sie schaute an ihm vorbei, sah den Kuss der Schneeflocken und die Bewegung der Scheibenwischer, mit der er ausgelöscht wurde.
     
    Swains Residenz in Notting Hill bestand aus drei miteinander verbundenen viktorianischen Stadthäusern irgendwo in einem verschneiten Gewirr von Plätzen, halbmondförmigen Straßen und kleinen Sackgassen. Petal, in jeder Hand zwei von Kumikos Koffern, erklärte ihr, die Tür von Hausnummer 17 sei auch der Eingang für die Nummern 16 und 18. »Da braucht man gar nicht erst zu klopfen«, sagte er und deutete mit den schweren Koffern in der Hand unbeholfen auf die glänzend rot lackierte, messingbeschlagene Tür von Nr. 16. »Nur’n halber Meter Stahlbeton dahinter.«
    Sie schaute die Straße entlang, deren nahezu identische Fassaden in der leichten Biegung perspektivisch kleiner wurden. Der Schnee fiel nun dichter, und der lachsrote Schein der Natriumdampflampen erhellte einen einförmig grauen Himmel. Die Straße war leer, der frisch gefallene Schnee unberührt. Die Luft hatte einen fremdartigen Biss, einen schwachen, durchdringenden Beigeschmack von etwas Verbranntem, von altertümlichen Brennstoffen. Petals Schuhe hinterließen große, scharf umrissene Abdrücke. Es waren schwarze Wildlederhalbschuhe mit schmaler Spitze und überaus klobigen, geriffelten, knallroten Plastiksohlen. Kumiko begann zu frieren. Sie folgte ihm dichtauf zu den grauen Stufen von Nummer 17.
    »Na, was ist«, sagte er zu der schwarzlackierten Tür, »ich bin’s.« Dann seufzte er, stellte alle vier Koffer in den Schnee, zog den fingerlosen Handschuh von der Rechten und drückte den Handballen auf eine glänzende Stahlscheibe, die bündig in eins der Türfelder eingelassen war. Kumiko glaubte, ein feines Summen zu hören, ein Mückensirren, das immer schriller wurde, bis es schließlich verstummte, und dann vibrierte die
Tür von dem gedämpften Anschlag zurückfahrender Magnetbolzen.
    »Sie haben sie Smoke genannt«, sagte Kumiko, als er nach dem Messingtürknauf griff, »die Stadt.«
    Er hielt inne. »Smoke, ganz recht.« Er öffnete die Tür zu Wärme und Helligkeit. »Das ist ein alter Ausdruck, so was wie ein Spitzname.« Er nahm ihre Koffer und stapfte in ein Foyer mit blauem Teppichboden und weißlackierter Holztäfelung. Sie folgte ihm. Die Tür schloss sich selbsttätig hinter ihr, und die Bolzen fuhren mit einem dumpfen Laut wieder zurück. Über der weißen Täfelung hing ein Druck in einem Mahagonirahmen, Pferde auf einem Feld, adrette Figürchen in roten Röcken. Colin der Chip-Geist müsste dort leben, dachte sie. Petal hatte ihre Koffer wieder abgesetzt. Plattgetretene Schneetafeln lagen auf dem blauen Teppich. Nun öffnete er eine andere Tür, und ein vergoldeter Stahlkäfig kam zum Vorschein. Mit einem metallischen Scheppern zog er das Gitter beiseite. Sie schaute verblüfft in den Käfig. »Der Lift«, sagte er. »Kein Platz für deine Sachen. Ich fahr ein zweites Mal.«
    Trotz seines offenkundigen Alters fuhr der Aufzug zügig nach oben, als Petal mit seinem kurzen, dicken Zeigefinger auf einen weißen Porzellanknopf drückte. Kumiko musste notgedrungen dicht bei ihm stehen; er roch nach feuchter Wolle und einem blumigen Rasierwasser.
    »Wir haben dich ganz oben untergebracht«, sagte er, während er sie durch einen schmalen Gang führte, »weil wir uns dachten, du hättest gern deine Ruhe.« Er öffnete eine Tür und bedeutete ihr einzutreten. »Hoffe, es ist recht so.« Er nahm die Brille ab und putzte sie energisch mit einem zerknüllten Papiertaschentuch. »Ich hole deine Koffer.«
    Als er fort war, ging Kumiko langsam um die massive Badewanne aus schwarzem Marmor herum, die das niedrige, vollgestellte Zimmer beherrschte. Die schrägen Wände waren mit
fleckigen goldenen Spiegeln verkleidet. Zwei kleine Mansardenfenster flankierten das größte Bett, das sie je gesehen hatte. In den Spiegel über dem Bett waren verstellbare Lämpchen eingelassen, die den Leselampen im Flugzeug ähnelten. Sie blieb neben der Wanne stehen und berührte den geschwungenen Hals

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