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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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anzufangen weiß, wenn er allein ist. Aber nicht Armitage. Hockt da und starrt an die Wand, Mann. Dann macht's Klick, und er kommt auf Touren und wählt Wintermute an.«
    »Warum hat er dann die geheime Bank in London? Nostalgie?«
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    »Vielleicht weiß er nicht mal, daß es sie gibt«, sagte sie. »Vielleicht ist sie nur auf seinen Namen angelegt, richtig?«
    »Kapier ich nicht«, sagte Case.
    »Hab nur laut gedacht... Wie schlau ist 'ne AI, Case?«
    »Je nachdem. Manche sind nicht schlauer als ein Hund. Schoßtier. Kosten trotzdem 'ne Menge Geld. Die richtig schlauen sind so schlau, wie die Turing-Bullen zuzulassen bereit sind.«
    »Hör mal, du bist'n Cowboy. Wie kommt's, daß du nicht total abfährst
    auf solche Dinger?«
    »Nun«, sagte er, »zum einen sind sie selten. Die meisten sind militärisch, die schlauen zumindest, und wir können das Eis nicht knacken. Daher kommt überhaupt das ganze Eis, weißt du? Und dann sind da die Turing-Bullen, und mit denen ist nicht gut Kirschen essen.« Er sah sie an. »Was weiß ich, gehört halt nicht zum Trip.«
    »Die Jockeys sind alle gleich«, sagte sie. »Keine Phantasie.«
    Sie kamen an einen breiten, rechteckigen Teich, in dem Karpfen die
    Stiele einer bleichen Wasserpflanze beschnupperten. Sie stieß mit dem
    Fuß einen losen Kieselstein hinein und beobachtete die sich ausbreiteten—
    den Wellen.
    »Das ist Wintermute«, sagte sie. »Echt große Sache, scheint's mir. Wir
    stecken da draußen, wo die kleinen Wellen so breit sind, daß wir den
    Stein nicht sehen, der in der Mitte eingeschlagen hat. Wir wissen, es ist was da, aber nicht warum. Mich interessiert das Warum. Ich will, daß du dich auf die Socken machst und mit Wintermute sprichst.«
    »Ich käme nicht mal in seine Nähe«, sagte er. »Du spinnst ja.«
    »Probier's!«
    »Unmöglich.«
    »Frag die Flatline!«
    »Was wollen wir überhaupt von diesem Riviera?« fragte er, um das Thema zu wechseln.
    Sie spuckte in den Teich. »Weiß Gott. Ich könnt ihn umbringen, sobald
    ich ihn nur sehe. Hab mir sein Profil angeschaut. Er ist 'ne Art zwanghafter Judas. Kriegt nur einen hoch, wenn er weiß, daß er das Objekt seiner Be-gierde verrät. So steht's jedenfalls in den Akten. Und sie müssen ihn zuerst lieben. Vielleicht liebt er sie auch. Darum hatte Terzi leichtes Spiel, das mit Riviera zu deichseln, da er schon seit drei Jahren hier zugange ist 95
    und Politische an die Geheimpolizei verkauft. Terzi hat ihn vermutlich zusehen lassen, wie die Stachelstöcke rauskommen. Er hat achtzehn in drei Jahren geschafft. Alles Frauen zwischen zwanzig und fünfundzwanzig. Das versorgte Terzi mit Dissidenten.« Sie steckte die Hände in die Jackentasche. »Denn wenn er eine fand, die er wirklich wollte, sorgte er dafür, daß sie politisch wurde. Er hat 'ne Persönlichkeit wie ein Modern-Dress.
    Ein sehr seltener Typ, wie das Profil meinte, schätzungsweise einer unter ein paar Millionen. Was wiederum etwas Gutes über die menschliche Natur aussagt, denke ich.« Sie betrachtete mit saurer Miene die weißen
    Pflanzen und trägen Fische. »Ich werd wohl 'ne Spezialversicherung gegen
    diesen Peter abschließen müssen.« Damit wandte sie sich ab und lächelte,
    und es wurde sehr kalt.
    »Was meinst du damit?«
    »Egal. Kehren wir nach Beyoglu zurück und besorgen wir uns was zum
    Frühstücken. Hab heut' nacht wieder 'ne anstrengende Nacht vor mir. Muß
    sein Zeug aus seinem Apartment in Fener zusammenklauben und in den
    Basar zurück, um ihm Drogen zu kaufen...«
    »Ihm Drogen kaufen? Wie verdient er das?«
    Sie lachte. »Er möchte ja weiterleben, Süßer. Und es sieht so aus, als
    könnte er ohne seinen Stoff nicht arbeiten. Gefällst mir übrigens besser
    jetzt, bist nicht mehr so gottverdammt dürr.« Sie lächelte. »Ich werd also zu Ali dem Dealer gehn und Nachschub holen, klaro?«
    Armitage wartete in ihrem Zimmer im Hilton.
    »Zeit zum Packen«, sagte er, und Case versuchte, den Mann namens Corto hinter den hellblauen Augen und der sonnengebräunten Maske zu entdecken. Er dachte an Wage, zurück in Chiba, Operators über einer bestimmten Stufe neigen dazu, ihre Persönlichkeiten zu verschmelzen, wie er wußte. Aber Wage hatte durchaus Laster, Liebschaften. Trieb's gern mit Kindern, wie das Gerücht ging. Die Leere, die Armitage an den Tag legte, war ein ganz andrer Fall.
    »Wohin jetzt?« fragte er, ging an Armitage vorbei und schaute auf die
    Straße hinunter. »Was für ein Klima? «
    »Sie haben kein Klima, nur

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