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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Stahlwolle. »Vor langer Zeit den Gravitationsschacht hoch, fort von Babylon. Um die Stämme heimzuführen. Und jetzt vergleicht dich mein Bruder mit Wandelndem Messer.«
    Molly streckte die rechte Hand aus. In der rauchigen Luft blitzten ihre
    Klingen auf.
    Der andere Gründer lachte mit zurückgeworfenem Kopf. »Bald kommen
    die letzten Tage... Stimmen. Es erheben sich wilde Stimmen und weissa—
    gen den Untergang von Babylon...«
    »Stimmen.« Der Gründer aus Los Angeles blickte zu Case. »Wir überwa—
    chen viele Frequenzen. Wir hören ständig mit. Nun kam eine Stimme aus
    dem Babel der Zungen und sprach zu uns. Spielte starke Töne.«
    »Stummer Winter36«, sagte der andere, der den Namen wörtlich auffaß-
36
    Wintermute = bedeutet wörtlich »Winter« und »stumm«. - Der Übers.
109
    te.
    Case bekam eine Gänsehaut an den Armen.
    »Der Stumme sprach zu uns«, sagte der erste Gründer. »Der Stumme
    sagte, wir sollen euch helfen.«
    »Wann war das?« fragte Case.
    »Dreißig Stunden vor eurer Landung in Zion.«
    »Habt ihr diese Stimme schon früher gehört?«
    »Nein«, sagte der Mann aus Los Angeles, »und wir sind uns über den Sinn
    nicht schlüssig. Wenn die letzten Tage nahen, müssen wir mit falschen
    Propheten rechnen.«
    »Hört mal«, sagte Case, »das ist eine AI, verstanden? Eine Künstliche Intelligenz. Die Musik, die sie euch spielte, zapfte sie vermutlich aus euren Speichern ab und mischte sie eurem mutmaßlichen Geschmack entsprechend...«
    »Babylon«, fiel ihm der andere Gründer ins Wort, »gebiert viele Dämonen, wie wir wissen. Ganze Scharen davon!«
    »Wie hast du mich genannt, alter Mann?« fragte Molly.
    »Wandelndes Messer. Und du bringst eine Geißel über Babylon, Schwester, über sein finsterstes Herz...«
    »Was für eine Botschaft hinterbrachte die Stimme?« fragte Case.
    »Uns wurde geboten, euch zu helfen«, erklärte der andere, »da ihr als
    Werkzeug der letzten Tage dient.«
    Sein faltiges Gesicht war betrübt. »Uns wurde geboten, euch Maelcum
    mitzuschicken. In seinem Schlepper Garvey zur babylonischen Pforte von Freeside. Und das werden wir tun.«
    »Maelcum ist ein unverschämter Bursche«, sagte der andere, »und ein
    tüchtiger Schlepperpilot.«
    »Aber wir haben beschlossen, auch Aerol auszusenden, in der Babylon Rocker, damit er über Garvey wache.«
    Peinliche Stille erfüllte den Raum.
    »Soso«, sagte Case. »Arbeitet ihr Leute für Armitage oder was?«
    »Wir haben Raum an euch vermietet«, sagte der Gründer aus Los Angeles. »Wir sind hier in verschiedene Geschäfte verwickelt, aber achten das Gesetz von Babylon nicht. Unser Gesetz ist Jehovas Wort. Aber dieses Mal machen wir vielleicht einen Fehler.«
    »Doppelt genäht hält besser«, sagte der andere leise.
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    »Komm, Case«, sagte Molly, »gehn wir zurück, bevor der Alte merkt, daß
    wir weg sind!«
    »Maelcum wird euch begleiten. Jehovas Liebe, Schwester.«
9
    Der Schlepper Marcus Garvey, eine Stahltrommel von neun Metern Län-ge und zwei Metern Durchmesser, ächzte und rüttelte, als Maelcum den Antrieb zündete und das Ziel anvisierte. In seinem elastischen g-Netz verspreizt, betrachtete Case den muskulösen Rücken des Zioniten durch einen Scopolamin-Nebel. Er hatte das Mittel gegen SAS genommen, aber die vom Hersteller hinzugefügten Stimulanzien zur Aufhebung der Neben—wirkungen des Scopolamins kamen in seinem manipulierten System nicht
    zum Tragen.
    »Wie lange werden wir bis Freeside brauchen?« fragte Molly von ihrem
    Netz neben Maelcums Pilotenmodul.
    »Echt nicht mehr lang, du.«
    »Denkt ihr Leute je in Stunden?«
    »Schwester, Zeit ist Zeit, weißt schon. Hab 'nen Horror«, und er schüttelte seinen Lockenschopf, »vor Kontrolle, du. Wir kommen an, wenn wir ankommen...«
    »Case«, sagte sie, »hast du vielleicht irgend etwas unternommen, um
    mit unserem Freund in Bern Kontakt aufzunehmen? Als du beispielsweise
    in Zion die vielen Stunden flüsternd an deinem Deck gesessen hast?«
    »Sicher«, sagte Case. »Aber nein, hab nichts unternommen. Übrigens
    gibt's da diesbezüglich 'ne komische Geschichte, noch von Istanbul.« Er er-zählte ihr von den Telefonen im Hilton.
    »Herrgott«, sagte sie, »eine vertane Chance. Wieso hast du aufgelegt?«
    »Hätte jeder x-beliebige sein können«, log er. »Nur'n Chip... Was weiß
    ich...« Er zuckte die Achseln.
    »Du hattest doch nicht etwa Angst, hm?«
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    Er zuckte wieder die Achseln.
    »Tu's jetzt!«
    »Was?«
    »Jetzt! Sprich wenigstens mit

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