Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
»Du hast noch SAS
    und keine Zeit, bis zum Abklingen zu warten. Du wirst lernen müssen, damit zu arbeiten.«
    »Ich dreh das Ding also von hier aus?«
    »Nein. Hier wird geübt, Case. So. Rauf mit dir in den Korridor...«
    Cyberspace, wie ihn das Deck präsentierte, hatte keinen besonderen
    Bezug mehr zum physischen Standort. Als Case einsteckte, fiel sein Blick
    auf die vertraute Konfiguration der aztekischen Datenpyramide der
    Eastern Seabord Fission Authority.
    »Wie geht's, Dixie?«
    »Bin tot, Case. Hatte genug Zeit in diesem Hosaka, um das rauszukriegen.«
    »Was ist das für ein Gefühl?«
    »Keins.«
    »Plagt dich das?«
    »Was mich plagt ist, daß mich nichts plagt.«
    »Wie kommt's?«
    »Hatte so'nen Kumpel in dem russischen Lager in Sibirien. Sein Daumen
    war abgefroren. Doktor schnitt ihn weg. Vier Wochen später wirft er sich
    die ganze Nacht im Schlaf hin und her. Elroy, sagte ich, was plagt dich?
    Verdammte Daumen juckt, sagte er. Dann kratz ihn, sage ich. McCoy, sagt
    er, es ist der andere gottverdammte Daumen.« Als die Konstruktion lachte, kam es nicht wie Lachen herüber, eher wie ein kalter Stich ins Rückgrat. »
    Tu mir 'nen Gefallen, Case.«
    »Was denn, Dix?«
    »Dieses gottverdammte Ding, lösch es, wenn du fertig bist!«
    Case verstand die Zioniten nicht.
105
    Aerol erzählte ohne besondere Veranlassung die Geschichte vom Baby,
    das aus seiner Stirn hervorgebrochen und im Hydrokulturgras-Dickicht
    herumgetollt war. »Sehr kleines Baby, du, nicht länger als dein Finger.« Er rieb mit der Hand über die braune, narbenlose Stirn und lächelte.
    »Kommt vom Gras«, sagte Molly, als Case ihr die Geschichte wiedergab.
    »Sie ziehen keine Grenzen, weißt schon. Aerol sagt, es ist passiert, also ist es ihm passiert. Kein Scheiß, eher Poesie, kapiert?«
    Case nickte skeptisch. »Die Zioniten grapschen immer an einem herum,
    wenn sie mit dir reden, pflanzen dir die Hand auf die Schulter.« Er mochte das nicht.
    »He, Aerol«, rief Case eine Stunde später, als sie eine Übung im Freifall-Korridor vorbereiteten. »Komm her, Mann! Laß dir was zeigen!« Er hielt ihm die E-troden hin.
    Aerol überschlug sich in Zeitlupe. Mit den nackten Sohlen stieß er sich
    an der Stahlwand ab und griff mit der freien Hand an einen Träger. In der ändern hielt er eine durchsichtige Wassertüte mit blau-grünen Algen. Er zwinkerte mäßig und lächelte.
    »Probier mal!« sagte Case.
    Er nahm das Band, zog es über die Stirn, und Case rückte die E-troden
    zurecht. Er schloß die Augen. Case schaltete an. Aerol schauderte. Case
    schaltete ab. »Was hast du gesehn, Mann?«
    »Babylon«, sagte Aerol wehmütig, reichte ihm die E-troden und hopste
    durch den Korridor davon.
    Riviera saß, den rechten Arm in Schulterhöhe ausgestreckt, regungslos
    auf seinem Schaumpolster. Eine glitzernde Schlange mit Augen wie rotes
    Neonlicht war knapp hinter dem Ellbogen eng um den Oberarm geschlungen. Case verfolgte, wie die Schlange, die fingerdick und schwarz-rot ge—ringelt war, sich langsam enger um Rivieras Arm zusammenzog.
    »Komm schon«, sagte der Mann zärtlich zum hellen, wächsernen Skorpion, der mitten in seiner nach oben gekehrten Hand saß. »Komm!« Der Skorpion wackelte mit seinen bräunlichen Scheren und lief den Arm hinauf, wobei seine Beinchen den verräterisch dunkel sich abzeichnenden Venen folgten. Als er die Armbeuge erreichte, hielt er inne und fing zu beben an. Riviera stieß einen leisen Zischlaut aus. Der Stachel ging hoch, zitterte und bohrte sich über einer hervorquellenden Vene in die Haut. Die Koral-106
    lenschlange lockerte ihren Griff, und Riviera stöhnte leise, als die Injektion gesetzt wurde.
    Dann waren Schlange und Skorpion verschwunden, und er hielt eine
    milchtrübe Spritze in der Linken.
    »Wenn Gott etwas Besseres schuf, behielt er es für sich. Kennst du den
    Spruch, Case?«
    »Klar«, sagte Case. »Hab ich schon in verschiedenstem Zusammenhang
    gehört. Machst du immer so'ne kleine Show daraus?«
    Riviera lockerte den elastischen Abbindgurt und zog ihn vom Arm. »Ja.
    Bringt mehr Spaß.« Er lächelte. Seine Augen waren jetzt entrückt, seine
    Wangen rot. »Hab mir eine Membrane einsetzen lassen, direkt über der
    Vene, so daß ich mir wegen der Nadel keine Sorgen machen muß.«
    »Tut's nicht weh?«
    Er strahlte ihn an. »Natürlich tut's weh. Das gehört dazu, nicht wahr?«
    »Ich habe immer Derms verwendet«, sagte Case.
    »Fußgänger«, spöttelte Riviera und schlüpfte lachend in

Weitere Kostenlose Bücher