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Neva

Neva

Titel: Neva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Grant
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als wollte es mir applaudieren. Ich laufe zu einer Bank und schreibe dieselben Worte auf eine der Holzlatten. Und, mein Gott, das fühlt sich an …
Wahnsinn!
    Nicoline und ich bewegen uns im Zickzack, während wir immer mehr Flächen für unsere Botschaft entdecken: der Mast einer Laterne, der Boden um einen Kanaldeckel. Nicoline läuft voraus und hält Ausschau nach einer geeigneten Stelle. Sie will es auch probieren, also springe ich auf eine Bank und passe auf. Nicoline malt den Spruch mit kunstvoll geschwungenen Buchstaben, die sich stark von meinen ungelenken Drucklettern unterscheiden. Ich sehe auf die Uhr, als sie bereits weiterläuft und ich mich beeilen muss, um sie einzuholen.
    Ich erreiche Nicoline, als sie gerade die letzten Tropfen Farbe aus dem Beutel quetscht und ein Wort auf die Stufe einer Treppe schreibt, die zur Straße hinaufführt. Ihre Fingerspitzen sind rot. »Ich glaube, wir müssen jetzt verschwinden.«
    Sie dreht sich um die eigene Achse und brüllt hinauf zur Protektosphäre: »Das fühlt sich toll an!«
    »Sch!«, zische ich, aber ich empfinde es genauso.
    »Hör doch auf, dir ständig Sorgen zu machen.« Nicoline hält inne und blickt sich um. »Wir haben es schließlich fast geschafft.«
    »Fast«, betone ich und nehme ihr die klebrige Tüte ab. Ich laufe zum Fluss, beuge mich so weit wie möglich über das Geländer und schleudere sie ins Wasser. Ein echter Mädchenwurf, wie Ethan sagen würde. Der Wind ergreift die Tüte, und sie sinkt langsam im Zickzack ins trübe Wasser hinab. Ich beobachte, wie sie landet, mitgerissen wird und schließlich untergeht.
    Nicoline zupft mich am Ärmel. »Hör mal.«
    Trotz des laut rauschenden Flusses bemerke ich es auch – das Geräusch gleichmäßiger, schwerer Schritte. Ich weiß, dass wir beide das Gleiche denken: Polizei!
    »W-wir müssen w-weg!« Ihre Stimme zittert, und jedes Wort hat plötzlich eine Extrasilbe.
    »Nein«, erwidere ich und schiebe meine Hände in die Taschen. »Versteck deine Finger.«
    Das Geräusch wird lauter, und die Schritte hallen auf dem Beton. Wir sind einen halben Block von unserem letzten Slogan entfernt: Nicolines Nachricht auf der Treppe. Wenn die Person, die da kommt, dicht am Ufer entlanggeht, sieht sie die Stufen vielleicht nicht. Nicoline und ich stehen still wie Statuen.
    Die Schritte kommen näher und näher. Ich möchte hinsehen, aber ich kann einfach nicht.
    »Guten Abend«, meldet sich eine tiefe männliche Stimme, als die Schritte unmittelbar hinter uns ertönen.
    »Oh, hi«, gebe ich zurück und drehe mich halb um. Ich versuche, mir meinen Schrecken nicht anmerken zu lassen, als ich die tiefschwarze Uniform sehe. Die Bürger von Heimatland tragen blasses Pastell und Grauschattierungen – nur die Polizei kann sich anscheinend noch kräftige Farben für die Kleidung leisten.
    »Angenehmer Abend heute, nicht?«, fragt er und bleibt direkt hinter uns stehen.
    »Hm-hm«, bestätigen wir.
    »Was machen denn zwei nette Mädels wie ihr allein hier draußen?«, erkundigt er sich und tritt noch näher. Was er meint, ist, warum wir nicht mit unseren festen Freunden zusammen sind und miteinander schlafen – so wie alle braven kleinen Mädchen das tun.
    »Wir wollten gerade gehen.« Ich stoße Nicoline an. »Einen schönen Abend, Officer.«
    Wir spazieren davon. Eine Ewigkeit lang hören wir nichts anderes als das Geräusch unserer eigenen Füße auf dem Pflaster. Sieht er uns nach? Endlich, endlich vernehme ich das Klappern seiner Absätze, das sich mit unseren Schritten mischt und schließlich schwächer wird. Ich werfe einen Blick zurück. Er geht mit hocherhobenem Kopf. Schaut zum Horizont und sucht nicht den Boden nach irgendwelchen Nachrichten ab. In seiner dunklen Uniform hat ihn die Nacht bald verschluckt.
    Jetzt laufen wir und halten erst an, als wir am Kino eintreffen. Ich helfe Nicoline hoch und durch das Fenster, dann zieht sie mich von oben hinauf. Einen Moment lang liegen wir beide keuchend und nach Luft ringend auf den kühlen Kacheln. Wir waschen unsere Hände mit rosafarbener, schäumender Seife und trocknen sie an unseren Jeans ab. Danach schlendern wir ganz locker in den Kinosaal zurück. Unsere Reihe ist bis auf unsere zwei Plätze längst wieder besetzt. Nicoline und ich quetschen uns an Knien und Füßen vorbei, bis wir unsere Stühle erreicht haben. Fragend schaut Sanna zu mir auf. »Später«, flüstere ich, als ich mich an ihr vorbeischiebe.
    Auf der schwarzen Leinwand läuft inzwischen

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