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Neva

Neva

Titel: Neva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Grant
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wiederzusehen.«
    »Achtet darauf, dass euch niemand bis nach Hause verfolgt«, flüstert Senga mir ins Ohr. Und damit verschwinden die beiden in der Menschenmenge.
    »Was war das eben?«, frage ich und bin noch verwirrt von diesem Hausfrauen-Dramolett.
    »Nicht wahr?« Sanna macht einen kleinen Hüpfer. »Ist das nicht einfach
Wahnsinn?
«
    »Wie konntest du nur?« Ich boxe ihr auf den Arm, nicht gerade liebevoll.
    »Nev …«
    »Du hast mich in Gefahr gebracht.«
    »Du bist bereits in Gefahr, Neva. Wie wir alle. Das hast du selbst gesagt.«
    Wie gelingt ihr das bloß? Sie tut genau das Gegenteil von dem, worum ich sie gebeten habe – und trotzdem schafft sie es,
mir
ein schlechtes Gewissen zu machen.
    Sie fährt fort: »Das ist nur der Anfang. Sie haben Mega-Pläne, die …«
    »Die zwei? Die zwei sind die Superhirne, die einen ausgeklügelten Plan entwickelt haben sollen, um die Protektosphäre zu öffnen?«
    »Schscht!«, zischt Sanna. »Unterschätze niemals die Entschlossenheit einer Mutter. Sie gehören zu einem Netzwerk oder einer Widerstandsbewegung oder … Ach, was weiß ich.« Sie wühlt in ihrer Handtasche. »Es
soll
ja niemand Genaueres wissen. Zu unserem und zu ihrem Schutz, nehme ich an.« Nun zieht sie eine verbogene Zigarette aus ihrer Tasche und nimmt sie zwischen die Lippen. »Willst du auch eine?«, murmelt sie, ohne die Zigarette fallen zu lassen.
    »Du kannst das Ding hier nicht rauchen«, sage ich und sehe zu, wie sie sich auf der Suche nach dem Feuerzeug abklopft. »Woher kriegst du die überhaupt noch?«
    »Mein Bruder hat sie hergestellt. Er hatte …« Sie bricht ab, als ihr bewusst wird, dass sie von ihm in der Vergangenheit gesprochen hat. Ein Ausdruck der Traurigkeit huscht über ihr Gesicht, und sie schluckt. »Stellt sie her. Und er verkauft sie. Er hat vor ein paar Monaten damit angefangen. Ihr habt ein Treibhaus für eure Tomaten. Andere Menschen bauen andere Pflanzen an, um damit zu handeln.« Sie zieht ein silbernes Feuerzeug aus der hinteren Hosentasche. »Ich gebe das mit der stummen Demonstration an alle weiter.«
    »Ach ja, stimmt. Mir traut ja keiner.«
    »Wir könnten das Streichholz an der Lunte sein, die alles hochgehen lässt.« Mit dem Feuerzeug in der einen und der Zigarette in der anderen Hand stellt sie den Rauchpilz einer Explosion dar. Ein paarmal versucht sie, das alte Feuerzeug in Gang zu bringen, aber ihre Hände zittern. Klick. Funken. Klick. Funken. Auf der Seite prangt ein Bild von einem Totenschädel. Er scheint sie auszulachen.
    »Wo hast du das denn her?« Ich deute auf das Feuerzeug. »Das ist ja scheußlich.«
    »Mein Bruder kennt jemanden, der jemanden kennt.« Ihre Stimme stockt. Er fehlt ihr.
    Sannas Bruder ist zu gleichen Teilen Zauberer, Engel und Geist. Ich fand es immer schön, mir vorzustellen, dass er irgendwo da draußen ist und auf Sanna aufpasst. Er kann nicht auch verschwunden sein. Das darf einfach nicht sein.
    Ich nehme ihr das Feuerzeug ab, drehe das Rädchen und halte ihr die Flamme hin. Sanna zündet ihre Zigarette an und inhaliert. Dann hakt sie sich bei mir ein. »Ich bin noch immer sauer auf dich«, sage ich. Aber der Ärger verblasst gegen meine Furcht vor dem, was als Nächstes kommen mag.
    »Ich habe getan, was getan werden musste«, erwidert sie zwischen zwei Zügen. Sie hat recht. Ich hätte diesen Artikel niemals eingesetzt. Ich hätte ihn bloß versteckt – genau wie mein Vater.
    Wir schlendern in die Mitte des Platzes. Sie atmet den Rauch durch die Nase aus, was mich an einen Stier kurz vor dem Angriff erinnert. Wir blicken hinauf zu der Statue von Dr. Benjamin L. Smith.
    »Ich würde schon gerne wissen, was unser guter alter Benjy wohl von einer stummen Demo gehalten hätte«, meint Sanna und schnippt ihre Zigarette gegen Benjys Knie.
    »Er wollte bestimmt nicht, dass wir uns so entwickeln«, erwidere ich und mustere die ernsten Linien seines Bronzegesichts. Es gibt Fotos von ihm. Ich weiß, dass er wirklich so ausgesehen hat, aber auf mich wirkt er einfach nicht echt. Mir kommt es vor, als habe jemand seine Gesichtszüge übertrieben dargestellt.
    »Schau ihn dir an. Locken. Spitze Nase. Angeblich hat er blaue Augen gehabt. Kannst du dir das vorstellen?« Sanna sucht in ihrer Tasche nach einer weiteren Zigarette.
    Eigentlich nicht. Ich blicke über den Platz, auf das Meer der Gleichheit. Jedes Extrem, alle Ecken und Kanten sind ausgemerzt worden.
    »Er sieht seltsam aus. Irgendwie fast hässlich.«
    Trotzdem sind

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