Neva
sage es ihr.
»Ich bin sieben Monate weggetreten gewesen.« Sie beginnt zu weinen. »Sieben Monate!« Sie packt meinen Arm, und nun ziehe ich sie mit mir.
Vor uns scheinen die Mädchen zu verschwinden. Ich brauche einen Moment, um zu begreifen: Wir haben es bis zur Schnellstraße geschafft. Wir können überleben. Vielleicht sieht uns jemand und holt Hilfe.
»Der Highway«, sage ich der Frau. »Dort oben.« Sie lässt mich los und rennt darauf zu.
Ich finde Nicoline und Sanna wieder und lege beiden einen Arm um die Taille. »Wir haben es fast geschafft.«
Nicoline blickt an ihrem blutigen Kleid hinab.
»Wir holen dir Hilfe«, versichere ich ihr.
»Was haben sie mit mir gemacht?«, fragt sie leise.
Ich kann es ihr nicht sagen. »Alles wird gut.«
Fast haben wir die Auffahrt zum Highway erreicht, als wir Rufe hören. Hat uns jemand entdeckt? Wir stürzen voran. Nicoline stolpert und fällt. »Lauft weiter!«, ruft sie und winkt uns. Wir können sie doch nicht einfach zurücklassen! »Geht schon!«, schreit sie.
»Wir kommen zurück«, brülle ich, dann rennen Sanna und ich los. Jetzt sehe ich sie – eine Flotte weißer Transporter, die auf dem Highway herannaht. Hoffnung durchströmt mich. Die Wagen kommen quietschend und rutschend zum Stehen, und es ist reines Glück, dass keins der Mädchen, die sie angehalten haben, zu Schaden kommt. Aus jedem Van springen nun zwei Männer in Schwarz – Polizei! Sie stoßen die nächsten Mädchen in die Transporter. Ich spüre eine Woge kollektiven Zorns. Unsere erschöpften Körper bäumen sich auf. Unsere Hände ballen sich zu Fäusten. Wir greifen an.
Sanna und ich stürzen uns auf einen Polizisten. Wir treten und kratzen und beißen. Ohne Schwierigkeiten schüttelt er uns ab, aber andere Mädchen unterstützen uns, und bald haben wir ihn überwältigt. Der nächste, auf den wir uns werfen, versucht, zwei junge Mädchen festzuhalten. Beide zerkratzen ihm die Arme und das Gesicht, und der Mann heult vor Schmerz auf. Ich boxe ihm auf die Nase. Sanna springt ihm auf den Rücken, schlingt einen Arm um seinen Hals und drückt zu, bis er die Mädchen loslässt.
Jemand packt mich von hinten, und starke Arme legen sich um meine Taille. »Sanna!«, schreie ich. Ich trete aus und ramme meinem Angreifer den Ellenbogen ins Gesicht. Er lässt mich los, und ich krache so hart auf Knie und Hände, dass ich es in jedem einzelnen Knochen spüre. Vor Schmerz bin ich wie betäubt. Ich schreie auf, als er in mein Haar greift und mich auf die Füße zerrt. Sanna wirft sich auf ihn und reißt ihn zu Boden. Ich trete zu. Der dumpfe Laut, mit dem mein Fuß auf seinen Leib trifft, ist sehr befriedigend. Jetzt ist er derjenige, der schreit.
»Nev! Komm!«, ruft Sanna, aber ich bin wie im Rausch, obwohl der Mann längst die Gegenwehr aufgegeben hat. Er hat sich zusammengerollt und schützt seinen Kopf mit beiden Händen. Ich verpasse ihm einen letzten Tritt, bevor Sanna mich von ihm wegzerren kann.
Überall drängen sich Mädchen in die Transporter. Einige sind bereits voll und starten. Im Vorbeifahren sehe ich, dass nur Frauen auf den Plätzen sitzen. Sanna und ich haben im gleichen Moment die gleiche Idee und rennen auf den nächsten leeren Van zu. Zwei Polizisten werden aus allen Richtungen angegriffen. »Du dirigierst die anderen Mädchen in den Van«, weise ich Sanna an. »Ich hole Nicoline.«
Inzwischen ist der schwarze Rauch so dicht, dass ich kaum etwas erkennen kann. Das Feuer springt von Baum zu Baum und kommt mit rasender Geschwindigkeit näher. In einiger Entfernung sehe ich eine Gestalt auf der Erde liegen. »Nicoline!«, rufe ich und renne zu ihr. Die untere Hälfte des Nachthemds ist komplett rot. Auch die Erde unter ihr ist durchweicht von ihrem Blut. Ich bin nur noch ein paar Schritte von ihr entfernt, als mich jemand von hinten anspringt. Ich stürze und reiße die Person mit, die schwer auf mich niederkracht.
Einen Moment später hebt sich das Gewicht von mir, und ich werde auf den Rücken gedreht. Das Gesicht meines Angreifers ist durch den Schmutz und die Prellungen praktisch unkenntlich. Sein Uniformhemd und die Hose sind zerfetzt, darunter ist rote, aufgescheuerte Haut zu sehen.
Bevor ich reagieren kann, hievt er mich hoch und presst meine Arme an meine Seiten. Ich kann mich nicht mehr regen und stehe von ihm abgewandt. Mit aller Kraft winde und drehe ich mich, in der Hoffnung, ihn dadurch zu Fall zu bringen.
Ein lautes Krachen durchbricht das Chaos, und ich
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