Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte
in ein Rinnsal Wasser.
»Genau wie Menschen.«
»Und Fingerabdrücke«, sage ich schaudernd. Hier draußen ist es ungefähr minus sechs Grad kalt – kalt genug, dass sich jeder Atemzug beißend in meiner Nase anfühlt. Aber das ist nicht der Grund für die Gänsehaut, die sich unter meinem dicken Wollpulli auf meinen Armen ausbreitet.
Fingerabdrücke lassen mich an Kriminelle denken und damit an Kirk Nowell, Elizabeth Tanzir und Michael Brenner. Alle drei sitzen im Gefängnis, es wurde abgelehnt, sie auf Kaution freizulassen. Zu groß war die Gefahr, dass sie fliehen. Ein weiteres halbes Dutzend von Typen war ebenfalls an der Jagd auf mich und meine Eltern beteiligt, aber die sind gerade damit beschäftigt, irgendwelche Deals mit den Staatsanwälten auszuhandeln. Nowell sieht sich den schwersten Anklagen gegenüber, unter anderem wegen des Mordes an Officer Dillow.
Wie wir angenommen hatten, verfolgte Nowell mich mithilfe von Brenners Firmenhandy, das ein GPS-Signal sendete, nach Newberry Ranch und später zu Tys Wohnung. Wie James vermutet hatte, benutzte Nowell eine Spoofcard, um Officer Dillow glauben zu machen, er würde von Sagebrush aus anrufen. Und Brenner war derjenige, der sich in Facebook eingehackt und mein falsches Profil und die falschen Statusmeldungen eingestellt hatte.
Ty sieht, dass ich schaudere. »Kalt?« Er verlagert einen seiner Skistöcke, legt den Arm um mich und rubbelt mir mit der Hand über den Arm. Will er nur nett sein oder hat das mehr zu bedeuten? Wir haben uns in den letzten Monaten mehrmals pro Tag SMS geschickt, aber da wir in verschiedenen Städten wohnen, haben wir kaum Zeit miteinander verbracht, seit die Polizei mit unserer Vernehmung fertig ist. Letzten Monat kam Ty nach Portland, weil wir vom Gouverneur bei einer Feier geehrt wurden. Wir waren von heldenhaften Cops und heldenhaften Feuerwehrleuten umgeben, die uns applaudierten, weil wir die Pläne von Z-Biotech vereitelt hatten.
Jetzt, drei Monate nachdem das alles passiert ist, ist wieder einigermaßen Alltag in unser Leben eingekehrt. Wir gehen beide wieder zur Schule und jammern über die Hausaufgaben. Ich bin nicht mehr auf den Titelseiten der Zeitungen und ich muss nicht mehr befürchten, meinen Namen zu hören, sobald ich den Fernseher einschalte. Als der Mann, dessen Auto wir gestohlen hatten, die ganze Geschichte hörte, beschloss er, keine Anzeige zu erstatten.
Wir kamen dieses Wochenende hierher in die Berge, damit meine Eltern mit Baufirmen darüber verhandeln konnten, an derselben Stelle eine neue Hütte zu bauen. Sie hatten mich gefragt, ob sie das Ganze verkaufen sollten, weil sie nicht sicher waren, ob die schlechten Erinnerungen daran nicht zu viel für mich wären. Aber jetzt, wo ich mein Gedächtnis wiederhabe, weiß ich, dass es noch viel mehr gute Erinnerungen an diese Hütte gibt. Außerdem ist da noch Ty, den ich von hier aus gut besuchen kann.
Er drückt meine Schulter und mir wird bewusst, dass er noch immer auf eine Antwort wartet.
»Ich hatte jede Menge Albträume in letzter Zeit.«
In meinen Träumen explodiert immer noch das Feuer aus der Tür aus Stahl, aber es ist Max, der sie geöffnet hat. In den schlimmsten dieser Träume ist Max dann tot und Kirk Nowell kommt mit einer Zange auf mich zu. Oder Max ist krank, seine Lippen sind ganz blau, während er um Luft ringt, und ich halte seinen winzigen Körper und kann nichts tun, um ihm zu helfen. Egal, welche Form der Albtraum annimmt – beim Aufwachen fühle ich mich ausgelaugt und habe einen gallenbitteren Geschmack auf der Zunge.
Die Regierung lässt jetzt einen neuen Schwung des Impfstoffes gegen das Hantavirus herstellen. Man hat vor, ihn bis nächsten Sommer fertig zu haben, um ihn den Farmern anzubieten, die in dem Gebiet leben, in dem sich die Feldmäuse angesiedelt haben. Meine Eltern arbeiten mit anderen Virologen und Wildbiologen daran herauszufinden, ob es möglich ist, das Hantavirus bei Feldmäusen auszurotten.
Ty lässt seinen Arm sinken, streift seinen Rucksack von einer Schulter und zieht eine Thermosflasche heraus. »Ich habe ein Heilmittel gegen schlechte Träume«, sagt er. »Heißen Kakao.«
»Mit Marshmallows?« Ich mache nur Witze, aber er grinst und zieht eine Tüte Mini-Marshmallows aus seiner Jackentasche.
Während er den Deckel der Thermosflasche aufschraubt, versuche ich, die Erinnerungen abzuschütteln und mich ganz im Hier und Jetzt zu verankern. Wir sind jetzt in Sicherheit und frei, wir sind nicht mehr auf
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