Never Knowing - Endlose Angst
gegenüberliegenden Sofa Platz genommen hatten, wagte ich den Sprung ins kalte Wasser.
»Es wird wieder ein Mädchen vermisst, stimmt’s?«
»Sara …« Billy nahm die Sonnenbrille ab. »Evan wurde heute Morgen bei der Lodge angeschossen und …«
»Wie bitte?« Ich starrte sie einen Moment an, mein Herz hämmerte in meiner Brust. Dann sprang ich auf. »Ist er verletzt?« Mein Blick sprang zwischen ihnen hin und her, während ich verzweifelt versuchte, in ihren Mienen zu lesen.
»Er wird wieder gesund«, sagte Billy. »Man hat ihn ins Krankenhaus nach Port Alberni geflogen.«
»Was ist passiert?«
»Er ist heute ganz früh zum Bootsdock runtergegangen. Dort wurde er auch angeschossen. Er hat es geschafft, sich in eines der Boote zu schleppen und mit dem Erste-Hilfe-Kasten die Blutung zu stoppen, bis einer der Guides ihn gefunden hat.«
»Okay. Ich wollte nur. Ich muss …« Ich wirbelte herum und schnappte mir meine Handtasche von der Bank im Flur, suchte nach meinen Schlüsseln, nach dem Handy. Ally musste von der Schule abgeholt werden. Könnte Lauren das machen? Sollte ich sie auf dem Weg abholen?
Sandy sagte: »Wir bringen Sie zum Krankenhaus.«
Elch. Ich musste einen Nachbarn bitten, ihn rauszulassen. Was sonst noch? Ein Kunde wollte kommen, um ein Kopfteil abzuholen. Ich klappte mein Handy auf, aber Sandy packte mein Handgelenk.
»Warten Sie.«
Ich riss mich los. »Ich muss jemanden anrufen, der sich um Ally kümmert.«
»Das verstehen wir, aber wir müssen zuerst ein paar Dinge mit Ihnen durchsprechen.«
»Es muss John gewesen sein.«
Billy sagte: »Darum müssen wir …«
»Ich muss meine Familie informieren.« Wie sollte ich ihnen das erklären?
Sandy sagte: »Wir haben ein paar Vorschläge, was Sie sagen sollten.«
Ich wandte mich an Billy. »Er hat ihn nicht … umgebracht. Es war nur eine Warnung, stimmt’s?«
»Das glauben wir nicht. Einer von den Köchen ist etwa zu der Zeit, als auf Evan geschossen wurde, rausgegangen, um eine zu rauchen. Er hörte etwas im Unterholz. Wir denken, dass er John aufgescheucht hat, ehe er seinen Job zu Ende bringen konnte.«
John wollte Evan töten. Meinetwegen. Meine Augen füllten sich mit Tränen.
»Ich muss Ally
auf der Stelle
aus der Schule holen.«
Sandy sagte: »Ein paar Beamte sind im Krankenhaus bei Evan, und ein Streifenwagen beobachtet die Schule. Sie können mit Billy hochfahren, um Evan zu besuchen, und wir schicken einen Officer, der Ally abholt. Aber rufen Sie bei der Schule an und sagen Sie, dass er ein Freund der Familie ist. Wir wollen nicht, dass die Leute Angst bekommen und glauben, ein Mörder liefe frei herum.«
Aber es
lief
ein Mörder frei herum! Einer, der ziemlich sauer auf mich war und ziemlich gut darin, seinen Standpunkt deutlich zu machen.
»Ally weiß, dass sie nicht mit Fremden mitgehen soll. Ich könnte eine meiner Schwestern anrufen, aber dann müsste ich ihr erzählen, was los ist, und …«
»Tun Sie das noch nicht«, sagte Sandy. »Mich kennt Ally. Ich hole sie ab und passe auf sie auf, während Sie Evan besuchen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe John erzählt, dass ich mich nicht mit ihm treffen kann, weil Evan nach Hause kommt. Er muss beschlossen haben, ihn einfach …« Mir blieben die Worte im Hals stecken.
Billy machte ein gequältes Gesicht. »Sie wussten nicht, dass er so reagieren würde, Sara.«
Ich sah Sandy an. »Aber
Sie
wussten es. Sie haben mich gewarnt.« Hatte ich zugelassen, dass meine persönlichen Gefühle ihr gegenüber mir den Blick auf die Wahrheit verstellten?
Sandy sagte: »Belasten Sie sich nicht mit dem, was geschehen ist, Sara. Sie müssen stark sein für Evan. Um den Rest kümmern wir uns.« Zur Abwechslung hatte sie einmal etwas gesagt, das mir gefiel.
Als Billy mich zum Krankenhaus brachte, rief ich meine Eltern vom Handy aus an. Sobald ich Moms sanfte Stimme hörte, brach der Damm, und ich fing an zu weinen. Ich schaffte es, mich lange genug zusammenzureißen, um ihr eine Alibigeschichte zu erzählen – die Polizei gehe davon aus, dass Evan von einem verärgerten Angestellten angeschossen worden war. Ich hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, bis die Geschichte aufflog, da Evan noch nie in seinem Leben jemanden verärgert hatte. Bei dem Gedanken musste ich nur noch heftiger weinen.
Ehe ich Mom daran hindern konnte, holte sie Dad ans Telefon.
»Was ist los?«
»Dad, Evan ist im Krankenhaus. Er wurde bei der Lodge angeschossen. Er lebt, aber sie
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