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Never Knowing - Endlose Angst

Never Knowing - Endlose Angst

Titel: Never Knowing - Endlose Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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spüre es … mein Bauchgefühl sagt mir das.«
    Evan schwieg einen Moment, dann sagte er: »Mail mir mal die Links – und die Fotos, die der Typ dir geschickt hat. Seine Website auch. Ich habe heute Morgen etwas Zeit. Ich lese mir das alles mal durch und rufe dich gegen Mittag an. Dann reden wir noch mal darüber, okay?«
    »Vielleicht sollte ich Julia anrufen …«
    »Das ist eine ganz schlechte Idee. Tu einfach
gar nichts

    Ich antwortete nicht.
    »Sara.« Seine Stimme war fest.
    »Ja.«
    »Lass es.«
    »Okay, okay.«
     
    Ally unterhielt sich mittlerweile in ihrem Zimmer mit Elch, also verabschiedeten Evan und ich uns voneinander. Um Allys willen versuchte ich, fröhlich zu sein, als wir Würstchen im Schlafrock mit Smileys aus Ketchup machten. Doch jedes Mal, wenn ich in ihr unschuldiges Gesicht blickte, hätte ich am liebsten geweint.
Was sage ich ihr, wenn sie alt genug ist, um nach meiner Familie zu fragen?
    Nachdem ich Ally zur Schule gebracht hatte, machte ich mit Elch einen Spaziergang. Ich dachte, die frische Luft würde mir guttun. Kaum hatte ich den Wald betreten, wusste ich allerdings, dass es ein Fehler gewesen war. Normalerweise liebe ich den Duft von Tannennadeln in der Luft, den kräftigen, erdigen Geruch nach einem nächtlichen Regen. Und all die verschiedenen Bäume: Rot-Zedern, Douglasien, Sitkafichten. Doch jetzt ragten die moosbedeckten Bäume drohend über mir auf und ließen kaum Licht durch. Die Luft wirkte zäh und still, meine Schritte laut. Jeder dunkle Winkel im Wald zog meinen Blick auf sich. Ein knorriger Baumstumpf mit einem einzigen Ast, der sich noch in die Höhe reckte, ein toter Baum, auf dem Farne wuchsen, die Spalte dahinter, die von verrottenden Blättern bedeckt war.
Hat er sie an einer Stelle wie dieser vergewaltigt?
Elch, der vorausgelaufen war, stöberte ein Reh auf, und es sprang davon, die braunen Augen vor Angst weit aufgerissen. Ich stellte mir vor, wie Julia durch den Wald floh, verletzt und blutend, mit hektischem Atem, wie ein Tier gehetzt.
    Ich fuhr nach Hause und nahm meine Werkstatt auseinander. Der Plan war, meine Vorräte zu sichten, die Werkzeuge sauberzumachen und sie anschließend andeutungsweise ordentlich zurückzuhängen, doch als ich das Chaos sah, das ich angerichtet hatte – Stemmeisen, Gummihammer, Klammern, Exzenterschleifer, Pinsel, Lumpen und Papierhandtücher, die auf der ganzen Werkbank verstreut lagen –, konnte ich nicht einmal klar genug denken, um ein Lineal aufzuhängen. Ich schnappte mir den Besen und fing an, die Späne zusammenzukehren.
    Evan rief wie versprochen mittags an, doch sein Handy hatte immer wieder Aussetzer.
    »Ich rufe dich an, wenn … aus … Wasser … folgen … Herde Buckelwale.«
    Wieder in der Werkstatt, konzentrierte ich mich darauf, eine Mahagonitruhe im Chippendale-Stil abzuschleifen. Während ich die jahrealten Kratzer und Rillen glättete, schwelgte ich in dem frischen Holzduft, dem Reiben des Sandpapiers. Mit jeder Bewegung entspannten sich meine Muskeln und begann mein Geist sich zu beruhigen. Doch dann ließ mich das Mahagoni an Julias Arbeitszimmer denken. Kein Wunder, dass sie nicht mit mir reden wollte – sie war immer noch traumatisiert von dem, was geschehen war, und mein Anblick hatte alles wieder zurückgebracht. Aber sie brauchte doch keine Angst vor mir zu haben. Vielleicht fürchtete sie, ich könnte ihr Geheimnis preisgeben? Ich hörte auf zu schmirgeln. Wenn ich ihr versicherte, niemandem davon zu erzählen …
    Das Telefon lag auf meinem Schreibtisch. Julias Uni-Büronummer klebte immer noch auf einem Post-it an meinem Computer.
     
    Nach dem vierten Klingeln hörte ich eine computergenerierte Stimme. »Dies ist die Mailbox von Professor Laroche, Fakultät für Kunstgeschichte. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.«
    »Hi, hier ist Sara Gallagher. Ich will Sie nicht noch einmal aufregen, ich wollte nur …«
    Die Stille dehnte sich aus. Ich geriet in Panik. Was, wenn ich etwas Falsches sagte?
Stopp, beruhige dich.
Ich holte tief Luft und sagte: »Ich wollte sagen, dass es mir leidtut, dass ich Sie so zu Hause überfallen habe, aber ich weiß jetzt, warum Sie so erschrocken waren. Ich muss einfach nur meine medizinische Vorgeschichte wissen. Ich hoffe, dass wir miteinander sprechen können?« Ich rasselte meine Nummer herunter, zweimal, sowie meine E-Mail-Adresse. »Ich weiß, dass Sie eine Menge durchgemacht haben, aber ich bin ein netter Mensch, und ich habe eine Familie, und

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