Never Knowing - Endlose Angst
auf.« Sandy hatte mich ermahnt, beim nächsten Mal freundlicher zu sein, aber es fiel mir schwer, auch nur höflich zu sein. Mein ganzer Körper verkrampfte sich, als ich Ally unten in der Küche hörte.
Bitte, bitte, bleib unten.
Er sagte: »Ich wette, du könntest auch welche bauen, wenn du wolltest.«
Ich ging zur Tür. »Ich bin glücklich mit dem, was ich tue.«
Ally stand an der Schwelle zu meinem Zimmer. »Mommy, Elch will sein Abendessen, und …« Ich bedeutete ihr, leise zu sein.
John sagte: »Was magst du am liebsten daran?«
»Können wir jetzt basteln?« Ich warf Ally einen strengen Blick zu, zeigte zurück auf die Treppe und formte mit den Lippen
Ich telefoniere
.
»Aber du hast es
versprochen
…« Ich machte die Tür zu und schloss ab. Auf der anderen Seite hämmerte sie mit den Fäusten auf das Holz ein und brüllte:
»Mommy!«
Ich legte die Hand auf das Mikrophon des Handys und sprintete in die hinterste Zimmerecke.
John sagte: »Was ist das für ein Krach?«
Mist, Mist, Mist.
»Ich wollte den Fernseher ausschalten und habe ihn aus Versehen lauter gestellt.«
Ally hämmerte erneut gegen die Tür. Ich hielt den Atem an. Dann waren sie beide leise.
Schließlich sagte er: »Ich hatte dich gefragt, was du an der Arbeit am liebsten magst.«
»Ich weiß nicht, ich arbeite einfach gerne mit den Händen.« Es gab vieles, was ich an der Arbeit mit Holz liebte, aber das würde ich ihm auf keinen Fall erzählen.
»Ich bin auch handwerklich begabt. Hast du als Kind gerne Dinge gebaut?«
Aus dem Flur war nichts zu hören. Wo war Ally?
»Ich glaube schon. Ich habe immer Werkzeug von meinem Dad geklaut.«
Schweigen auf beiden Seiten. Ich hielt erneut den Atem an, spitzte die Ohren. Schließlich wurde in der Küche eine Schranktür zugeknallt. Sie war unten. Ich atmete aus und ließ meine Stirn auf die Knie sinken.
»Ich hätte dir Werkzeug geschenkt«, sagte er. »Es ist nicht richtig, dass ich nicht wusste, dass ich ein Kind habe.«
Meine Wut flammte auf. »Ich denke, bei den Umständen, unter denen ich gezeugt wurde, ist das wohl etwas zu viel verlangt.«
Er schwieg.
»Warum tun Sie das? Warum tun Sie diesen Menschen weh?«
Keine Antwort.
Das Blut rauschte in meinen Ohren, warnte mich, dass ich zu weit ging, aber ich konnte nicht aufhören.
»Sind Sie wütend? Erinnern die Frauen Sie an jemanden, oder …«
Seine Stimme klang gepresst. »Ich
muss
es tun.«
»Niemand muss töten …«
»Das gefällt mir nicht.« Er atmete heftig und schnell ins Telefon.
Zurück, zurück,
SOFORT
!
»Okay, ich wollte nur …«
»Ich rufe dich morgen an.« Dann war er weg.
Direkt im Anschluss rief ich Billy an. Während wir redeten, schusterte ich ein Abendessen für Ally zusammen und kippte das Fressen für Elch in seine Schüssel. Dieses Mal hatte John von nördlich von Williams Lake angerufen. Die Polizei brauchte neunzig Minuten, um dorthin zu gelangen. Sie überprüften erneut die ganze Gegend, hielten Fahrzeuge an, sprachen mit den Leuten vor Ort, zeigten die Phantomzeichnung von John an Tankstellen und in Läden herum, aber bislang hatte niemand irgendetwas gesehen. Ich fragte Billy, wie sie John jemals fassen wollten, wenn er weiterhin aus ländlichen Gegenden anrief, und er sagte, sie würden einfach immer weitermachen und hoffen, dass sie schließlich auf eine Spur stießen. Immerhin hatten sie inzwischen den Privatdetektiv ausfindig gemacht – er war mit seiner Frau auf einer Karibik-Kreuzfahrt.
Als ich schließlich auflegte, machte ich mich auf die Suche nach meiner Tochter, die zusammengesunken vor dem Fernseher hockte. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen, dass ich ihr sagte, sie könnte heute Nacht in meinem Bett schlafen, eine Ankündigung, die normalerweise Freudenquietscher auslöst. Aber sie war ganz still, als ich sie ins Bett brachte und ihr
Wilbur und Charlotte
vorlas – Ally interessiert sich nur für Bücher, wenn Tiere darin vorkommen. Als sie Elch etwas ins Ohr flüsterte, hörte ich auf zu lesen.
»Was ist los, Allymaus?«
Sie flüsterte Elch noch etwas ins Ohr. Seine Fledermausohren zuckten, und er sah mich aus runden, feuchten Augen an.
»Muss ich es aus Elch herauskitzeln?« Ich streckte die Hände aus und tat, als wollte ich den Hund anfassen.
»Nein!« Ihre Katzenaugen blitzten mich an.
»Dann wirst du es mir wohl erzählen müssen.«
Ich lächelte und machte ein albernes Gesicht, aber sie sah mich nicht an.
»Du hast die Tür zugemacht.«
»Das
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