Never Knowing - Endlose Angst
es Zeit war, Ally abzuholen. Ich versuchte immer noch, den Kirschholztisch fertigzubekommen, aber ich war nicht bei der Sache. Dass mir dabei andauernd Johns Bemerkung über den »intensiven Farbton« durch den Kopf schwirrte, machte die Sache auch nicht gerade leichter. Natürlich gefiel ihm das Holz – wahrscheinlich erinnerte es ihn an Blut. Der makabre Gedanke ließ mich erschaudern. Ich war es gewohnt, über lange Zeiträume von Evan getrennt zu sein, vor allem während des Sommers, aber es war niemals leicht. Heute vermisste ich ihn furchtbar und wünschte, ich könnte ihn anrufen, aber er war den ganzen Tag mit dem Boot draußen.
Wir sprachen jeden Abend miteinander, und nachdem ich erfahren hatte, dass ich indianische Vorfahren hatte, führten wir ein langes Telefongespräch. Evan fand es großartig. Aber es war komisch zu wissen, dass Sandy oder Billy oder wer auch immer zuhören konnten, wann immer sie wollten. Es war auch schwierig, wenn Lauren und ich uns am Telefon unterhielten. Wenn sie etwas Persönliches erzählte, wusste ich, dass das Gespräch mitgeschnitten wurde, aber sie nicht. Normalerweise versuchte ich, die Themen auf unsere Kinder oder die Hochzeit zu beschränken, aber es brachte mich fast um, ihr nicht erzählen zu können, was wirklich los war.
Wir schmiedeten Pläne, am Sonntag endlich die Shoppingtour für die Kleider zu machen. Wir würden uns alle morgens bei mir zu Hause treffen und dann mit meinem Wagen nach Victoria fahren. Lauren war bereits am Backen, und ich wusste, dass sie eine Thermoskanne Kaffee dabeihaben würde. Und Melanie, nun ja, ich war sicher, dass sie genauso zickig sein würde wie immer. Ich hoffte nur mit aller Kraft, dass es einer der Tage sein würde, an denen ich nichts von John hörte.
Ich holte Ally ab, die so erledigt war, dass sie nach dem Bad direkt ins Bett fiel. Als ich sie ins Bett brachte, erzählte sie mir, dass Jake bereits zwei Experimentierbaukästen hatte. Ich hatte ein so schlechtes Gewissen, dass ich sagte, ich würde mit ihr und ihren Freundinnen demnächst ins Kino gehen, doch sie sagte: »Das vergisst du ja doch bloß wieder, Mommy.« Ich schwor, dass ich es nicht vergessen würde, aber es brach mir das Herz, dass sie an mir zweifelte. Als ich ihr einen Gutenachtkuss gab, küsste sie mich nicht zurück. Ich sagte mir, dass sie einfach nur müde war. Später rief Evan an, und wir unterhielten uns nett, bis ich mein Handy klingeln hörte.
»Wart mal kurz, Schatz.« Ich überprüfte das Display. »Es ist John.«
»Ruf mich zurück.«
Ich nahm den Anruf auf dem Handy an. »Hallo?«
»Sara …« Dann Stille.
»Bist du noch dran?«
»Haben dir die Puppen gefallen?« Die letzten Worte klangen verwaschen, und ich überlegte, ob er getrunken hatte. Im Hintergrund hörte ich Verkehrsgeräusche.
»Fährst du gerade?«
»Ich habe dich etwas gefragt.«
Diesen Satz hat mein Dad oft benutzt, als ich kleiner war, und dann wollte ich erst recht nicht antworten, aber ich sagte: »Ja, sie gefallen mir. Das habe ich dir doch gesagt.«
»Ich war mir nicht sicher … nicht sicher, ob du sie wirklich magst.« Wieder klang es verwaschen.
Was sollte ich damit anfangen? Ich wartete ab.
»So gehört sich das. Vater und Tochter … die sich unterhalten.«
»Sicher.«
Alles, was ich hörte, waren Atemgeräusche.
Ich sagte: »Es bedeutet mir viel, dass du mir die Puppen geschickt hast. Ich weiß, wie wichtig sie dir sind.« Ich machte eine Pause, doch er blieb still. »Und ich unterhalte mich gerne mit dir. Du bist ein interessanter Mensch.« Es kostete mich alle Überwindung, ihn glauben zu machen, ich würde irgendetwas an ihm mögen.
»Wirklich?«
»Absolut. Du hast ein paar großartige Geschichten auf Lager.«
»Erinnere mich daran, dass ich dir davon erzähle … wie ich einen Bären getötet habe, nur mit meiner Zweiundzwanziger – mit einem einzigen Schuss. Der Trottel hatte mich verfolgt … Wusstest du, dass Grizzlys andere Bären jagen und töten?«
Ich wollte gerade antworten, als am anderen Ende der Leitung ein Auto hupte.
»Wir reden bald weiter.« Er legte auf.
Ich rief Evan zurück und erzählte ihm, was gerade passiert war.
»Wie unheimlich.«
»Wem sagst du das. Ich fahre morgen mit meinen Schwestern in die Stadt, und ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn er anruft.«
»Behandle ihn wie einen normalen Menschen und sag ihm, dass du keine Zeit hast.«
»Aber er
ist
kein normaler Mensch.«
»Lass uns über etwas
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