Never Knowing - Endlose Angst
tot am Tatort gefunden.«
Ich ließ meinen Kaffeebecher fallen. Er zerbrach, und ich sah, wie der Kaffee auf Sandys Jeans spritzte. Aber sie blickte nicht einmal nach unten, sondern starrte mich immer noch an. Keiner von uns machte Anstalten, die Pfütze aufzuwischen.
Ich schlug die Hände vors Gesicht. »O mein Gott. Sind Sie sicher? Vielleicht …?«
»Er ist der Hauptverdächtige«, sagte Sandy. »Die Patronenhülsen, die man am Tatort gefunden hat, stimmen mit bisherigen Funden überein.«
»Das ist meine Schuld.«
Billy sagte: »Nein, das ist es nicht, Sara. Die Entscheidung lag allein bei ihm.« Sandy sagte nichts.
»Was machen wir jetzt? Was ist mit der Frau?«
Ein paar Sekunden lang schwieg Billy. »Im Moment suchen wir noch die Umgebung nach der Leiche des weiblichen Opfers ab.«
»Sie glauben also, dass sie tot ist?«
Niemand von den beiden antwortete.
»Wie heißt sie?«
Billy sagte: »Wir haben es noch nicht an die Medien gegeben …«
»Ich bin nicht die
Medien
. Sagen Sie mir ihren Namen.«
Billy sah Sandy an, die sich an mich wandte. »Danielle Sylvan. Ihr Freund hieß Alec Pantone.«
Bilder schwirrten mir durch den Kopf, von einer jungen Frau, die durch das Unterholz flieht, während John ihr mit dem Gewehr in der Hand nachsetzt. Ich fragte mich, wann ich ihre Puppe bekommen würde.
Ich starrte hinunter auf den zerbrochenen Becher und die Kaffeepfütze.
Sie schwiegen beide. Ich blickte auf. Grauen erfasste mich.
»Welche Farbe hat ihr
Haar
?«
Billy räusperte sich, doch ehe er etwas sagen konnte, sagte Sandy es mir.
»Kastanienbraun – lang und wellig.«
Der Raum drehte sich. Ich packte den Küchentresen hinter mir mit den Händen. Billy stand auf, war mit einem großen Schritt an meiner Seite und hielt mich an den Schultern fest.
»Alles in Ordnung, Sara?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Möchten Sie an die frische Luft?«
»Nein.« Ich atmete ein paarmal ein. »Es … es geht schon.«
Billy lehnte sich neben mich an den Tresen. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und er massierte unablässig seine Bizepse durch seine schwarze Windjacke. Von der anderen Seite des Tisches strahlte Sandys Zorn zu mir herüber.
Ich wandte mich an sie. »Sie glauben, dass es meine Schuld ist.«
»Es ist niemandes Schuld. Er ist ein Mörder, wir wissen nie, was der Auslöser für ihn ist.«
»Aber er hat noch nie so früh getötet – im Mai.«
Sie starrte mich an. Ihre Augen waren blutunterlaufen, die Pupillen geweitet, so dass das kalte Blau der Iris beinahe schwarz wirkte. Ihre Haut wirkte wie vom Wind verbrannt.
Ich sagte: »Sie glauben, dass er losgezogen ist und jemanden umgebracht hat, weil ich seine Anrufe nicht beantwortet habe.«
»Wir wissen nicht, was …«
»Sagen Sie es einfach, Sandy … geben Sie doch zu, dass Sie glauben, es sei meine Schuld.«
Sie sah mich fest an. »Ja, ich glaube, dass die Tatsache, dass seine Anrufe ignoriert wurden, für ihn der Auslöser war, sich ein Opfer zu suchen. Und nein, ich glaube nicht, dass es Ihre Schuld ist.«
Einen Moment lang kam ich mir vor wie ein Sieger – ich hatte sie gezwungen zuzugeben, was sie wirklich dachte –, doch dann rollte das Grauen der Situation wieder über mich hinweg.
Ich wandte mich an Billy. »Wie alt waren sie?«
»Alec war vierundzwanzig, Danielle einundzwanzig.«
Einundzwanzig
. Ich dachte an ihre Eltern, wenn sie die Nachricht erhielten, und drückte kräftig mit den Handballen gegen meine Augen.
Blende es aus. Blende es aus.
»Was machen wir jetzt?«
Billy sagte: »Wir bekommen kein Signal von seinem Handy, aber wir möchten Sie trotzdem bitten, ihn noch einmal anzurufen, nur für den Fall.« Er nahm mein Handy aus dem Ladegerät auf der Arbeitsplatte und reichte es mir.
Ehe ich wählte, fragte ich: »Wie soll ich mich verhalten?«
Billy sagte: »Gute Frage. Sie sollten einen Plan haben, bevor Sie …«
Sandy sagte: »Fangen Sie einfach damit an, dass sie sagen, wie leid es Ihnen tut. Mimen Sie die Zerknirschte, dann schätzen Sie seine Reaktion ab. Warten Sie, ob er das Thema irgendwie zur Sprache bringt, aber verraten Sie nicht, dass Sie von der Frau wissen. Es wird erst heute Abend in die Nachrichten kommen.«
Ich schaute zu Billy, um mir seine Bestätigung zu holen, und er nickte, doch sein Hals war gerötet. Er sah Sandy nicht an, und ich fragte mich, ob er sauer war, weil sie ihn unterbrochen hatte.
Als ich Johns Nummer wählte, ballte Sandy die Hand auf dem Tisch zu einer
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