Nevermore
unter den Nagel zu reißen - waren das nicht die absoluten Don’ts auf der allerersten Seite der Beste-Freundinnen-Bibel? Auf der anderen Seite - hatte das alles noch Bedeutung, wenn Nikki sich mit ihr versöhnen wollte? Zwischen ihr und Brad war es aus und zwischen ihr und ihrer ehemaligen Clique ebenso. In letzter Zeit schien es fast so, als ob es sogar mit der Realität aus war. Wenn die Welt unterging, war es dann nicht besser, wenn sie sich vorher noch umarmten und versöhnten? Isobel entschied sich für ein unverbindliches Schulterzucken, doch dann war ihr diese schäbige Geste peinlich und sie fügte hinzu: »Nein, bin ich nicht mehr. Nicht wirklich.«
»Du fehlst mir«, sagte Nikki. »Mir fehlt unsere Freundschaft.«
Isobel sah auf ihre Schuhe und nickte, obwohl sie sich nicht sicher war, dass sie dasselbe von sich behaupten konnte. Zu viele andere Dinge gingen ihr im Kopf herum. Zu viel war passiert, seitdem sie sich gestritten hatten. Zu viel, was sie Nikki niemals erzählen konnte. Ihre Freundschaft, das schien Ewigkeiten her zu sein. Wie sollte sie Nikki erklären, dass sie jetzt anders war? Verändert. Und dass ihr momentan nur eine einzige Person einfiel, von der sie wirklich behaupten konnte, dass sie sie vermisste.
»Ich bin neidisch auf dich, weißt du.«
Isobels Kopf schnellte hoch. Nikki lächelte sie an. Es war ein liebes und trauriges Lächeln. Isobel blieb auf der Hut. »Was willst du damit sagen?«
Nikki schüttelte mit feuchten Augen den Kopf. Sie wischte mit ihrem manikürten Daumen die Tränen weg und lachte dann. »Jeder ist neidisch auf dich, Isobel.«
Isobel blinzelte mehrmals und war sich nicht sicher, wie sie darauf reagieren sollte.
»Aber ich beneide dich, weil … na ja, weil ich noch nie wirklich verliebt war und gar nicht weiß, wie sich das anfühlt.«
Isobel versteifte sich und hielt den Atem an.
»Ach, komm schon«, sagte Nikki lachend. Sie wischte sich wieder Tränen aus den Augen, diesmal mit dem Knöchel ihres Zeigefingers, und versuchte, ihre Wimperntusche vor dem Verlaufen zu retten. »Schau mich nicht so an. So ahnungslos bist du nun auch wieder nicht.« Sie lachte jetzt lauter, allerdings mehr, um nicht wieder loszuheulen, vermutete Isobel.
»Oder vielleicht doch«, ergänzte Nikki beim Anblick des verwunderten Ausdrucks auf Isobels Gesicht. »Ausnahmsweise bin ich mal nicht die Letzte, die etwas erfährt.« Jetzt lachte sie richtig und ihre Fröhlichkeit war so ansteckend und ihre Worte waren so verblüffend schlicht und doch so bedeutungsvoll, dass Isobel trotz allem auch lachen musste.
Verliebt. Verliebt in den stoischen, den mürrischen, den ewig griesgrämigen Varen Nethers?
Das würde er nie zulassen.
In Isobel machte sich Ernüchterung breit. Plötzlich wirkte die Aussicht darauf, ihn zu sehen, furchterregend. Sie wusste, dass es die Wahrheit war und dass sie es bisher nur deshalb vor ihm hatte verbergen können, weil sie sich nie erlaubt hatte, ihre Gefühle in Worte zu fassen. Und Nikki, das am wenigsten einfühlsame Wesen der Erde, hatte alles durchschaut.
»Hey, Izzy!«
Isobel schrak auf und fiel fast von der Bank. Nikki und sie drehten sich mit einem Ruck um.
Ihr Dad lehnte an der Absperrung und winkte sie zu sich.
Isobel stand auf und murmelte »Bin gleich wieder da« zu Nikki, die blieb, wo sie war, während Isobel zu ihrem Vater lief. Sie freute sich über die Ausrede, um die Bank verlassen und sich von der Aufregung erholen zu können.
»Was ist denn los mit euch heute Abend? Ihr versagt ja da draußen völlig.«
»Was?« Sprach er über die Cheerleader? Sie hatte nicht aufgepasst.
»Ihr seid am Verlieren. Aber so was von. Hast du denn den Spielstand nicht verfolgt?«
Waren sie wirklich dabei, das Spiel zu verlieren? Isobel musterte die Anzeigetafel. Wow. Einunddreißig zu null. Sie waren tatsächlich am Verlieren.
»Und was ist eigentlich mit Brad los?«
»Brad?«
»Ja.« Ihr Vater verschränkte die Arme und tat gleichgültig, nachdem er das Wort mit B ins Spiel gebracht hatte. »Hast du nicht gesehen, wie er den Ball fallen gelassen hat? Du hast wohl da draußen auf der Bank geschlafen oder was? So schlecht habe ich ihn, glaube ich, noch nie spielen sehen.«
Isobel sah Brad zusammen mit dem Team an der Seitenlinie stehen, wo er gerade einen Becher mit Wasser füllte und ihn sich über den Oberkörper schüttete, obwohl es ein recht kühler Abend war und sicher nicht mehr als zehn Grad.
Während der Rest der Mannschaft in die
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