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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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nicht von der Stelle.
    »Ich brauche dich nicht!«, rief sie ihm nach. Reynolds blieb stehen.
    Isobel bückte sich, um ihre Schuhe aufzuheben. »Ich brauche deine Geheimnisse nicht.« Sie zog die einst pinkfarbenen Ballerinas an, die jetzt ganz staubig und von Dreck überzogen waren. »Ich werde ihn allein finden.« Sie stand auf, strich eine Haarsträhne zurück, die ihr über die Augen gefallen war, und wandte sich dem Gang links von ihr zu.
    »Bleib stehen!«, befahl Reynolds.
    Isobel ignorierte ihn und ging weiter. Sie war sich sicher, dass vor ihr neue Zimmer lagen. Neue Albträume. »Er würde mich auch nicht zurücklassen!«
    »Bist du dir da so sicher?«
    »Ja. Weil er, genau wie du, nicht so ist, wie er vorgibt zu sein. Und auch wenn du das jetzt behauptest… du hast Edgar nicht allein zurückgelassen, oder? Du hast ihm geholfen zurückzukommen, stimmt’s? Also erzähl mir nicht, dass es keinen Weg gibt!«
    »Isobel.« Seine Stimme, nicht mehr als ein Flüstern, klang jetzt schroff. Verletzt.
    Ihr Schuss ins Blaue hatte die Wahrheit mehr als nur gestreift. Er war direkt ins Mark gegangen … oder ihm zumindest nahe genug gekommen, um einen tieferen Akkord in Reynolds’ monotonem Grabgesang anzuschlagen. Dabei würde sie es belassen.
    Mit festen Schritten lief sie in die Dunkelheit und in die Feuchtigkeit hinein. Durch das Schattengeflecht hindurch sah sie, dass der Gang vor ihr eine scharfe Biegung machte. Sie wusste, hinter dieser Kurve würde sie vollkommen allein sein.
    »Isobel«, zischte Reynolds hinter ihr her. »Wenn du dich jetzt von mir abwendest, dann lässt du mir keine andere Wahl, als mich auch von dir abzuwenden. Geh weiter und wir sind Gegner.«
    »Dann weiß ich jetzt wenigstens Bescheid.« Entschlossen bog Isobel scharf ab, ohne auch nur einen einzigen Blick zurückzuwerfen. Vor ihr erstreckte sich ein weiterer feuchter Steinkorridor. Und dort war nichts als Dunkelheit.
    Ihre Schritte waren jetzt ihre einzige Begleitung. Sogar die Stimmen hinter den Wänden waren verstummt. Sie erwartete nicht, dass Reynolds ihr folgte. Sie kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass er das, was er sagte, auch so meinte. Er hatte seine eigenen Pläne. Er jagte seinen eigenen Geistern nach.
    Genauso wenig, wie sie wusste, was ihr noch alles bevorstand, wusste Isobel, wie viel Zeit ihr noch blieb. Aber sie konnte mit Sicherheit sagen, dass Mitternacht bedrohlich nahe kam.
    Doch vielleicht, nur vielleicht, überlegte sie, als sie um die nächste Ecke bog, vor ihr ein schummriger violetter Lichtschein, war sie näher dran, als sie dachte.

 
     
    Ein Versprechen
     
    Isobel erreichte die nächste Fackel. Es roch muffig und nach Petroleum in dem dunklen Gang. Orange Flammen warfen ihren Schein auf ein Fenster aus dunkelviolettem Glas und Isobel wusste, dass dahinter das violette Zimmer aus Poes Geschichte lag.
    Anders als bei dem grünen Zimmer gab es hier allerdings keine geheime Tür. Jedenfalls konnte sie weder an der Wand noch auf dem Boden etwas entdecken.
    Isobel umrundete die Fackel, pirschte sich an das schmale Fenster heran und presste die Hände auf die Steinwand daneben. Sie strich mit den Fingern über die Rillen und den Mörtel und tastete nach irgendeinem Hinweis, wie sie hineingelangen konnte. Sie legte das Ohr an die Wand und lauschte angestrengt auf Stimmen oder Bewegungen. Die Hitze des Feuers wärmte ihr das Gesicht und die Arme und warf ihren Schatten an die Wand neben ihr. Zunächst hörte sie gar nichts, doch dann bemerkte sie ein Rascheln.
    Sie konzentrierte sich auf das violette Glas, so als könnte sie so das Knistern auf der anderen Seite lauter machen. Durch eine Ecke des Fensters schien ein dünner gelber Lichtstrahl hindurch. Da war ein Loch, eine winzige Lücke in der Buntglasscheibe, nicht größer als eine Münze.
    Isobel kauerte sich vor das Loch, darauf bedacht, dass ihr Schatten sich nicht in dem Licht der Fackel fing oder auf das Buntglasfenster fiel. Sie blickte durch die Öffnung und erkannte sofort, woher das Rascheln kam.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes stand ein breites Flügelfenster offen. Lange violette Vorhänge flatterten in einem Luftzug. Draußen vor dem Fenster kratzten die wirren Umrisse nackter schwarzer Bäume an einem aufgewühlten, Unheil verheißenden, von grauvioletten Wolken verhangenen Himmel. In dem Zimmer selbst, in dessen Mitte sich ein gelber Lichtkegel befand, konnte Isobel die Ecke eines violetten Samtsessels

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