Nevermore
und gegrillten Käse?«
»Rrrrrrg«, brachte Isobel heraus. Suppe an sich klang prinzipiell nicht schlecht, verlor allerdings an Reiz, wenn das bedeute te, dass sie aufstehen, nach unten gehen und einen Löffel zum Mund führen musste.
Sie spürte die weiche, kühle Hand ihrer Mutter auf ihrer Stirn »Ich glaube, du hast Fieber, Schatz«, hörte sie sie sagen. »Dein Vater meinte, dass du aussiehst, als ob es dir nicht gut gehen würde.«
Irgendetwas sagte ihre Mutter noch - vielleicht, ob sie ein Gingerale wollte doch das neblige Gefühl kehrte zurück, übermannte Isobel und sie schlief wieder ein.
Als Isobel die Augen wieder öffnete, hatte sie urplötzlich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Sie setzte sich kerzengerade auf - und erstarrte.
Sachen von ihrer Kommode und andere Gegenstände aus allen Ecken ihres Zimmer - ihr Number-One-Flyer-Pokal, ein Lippenstift, ihr Plüschhase Max, ihre Pompons und ihr tragbarer CD-Player -, alles schwebte schwerelos durch die Luft und trieb langsam durch den Raum, so als würde es sich in den entlegensten Weiten des Weltraums befinden und nicht auf der Erde.
Isobel saß hellwach da und war nicht imstande, auch nur zu blinzeln. Zumindest nicht, bis ihr Föhn vor ihrer Nase vorbeischwebte und sein Kabel hinter sich herzog wie einen Schwanz. Sie hob eine Hand, um den Föhn abzuwehren, und sah dann zu, wie er in Richtung Schrank taumelte.
Sie schwang ihre Beine über die Bettkante, stand auf und drehte sich langsam, um das Asteroidenfeld in Augenschein zu nehmen, in das sich ihr Zimmer mit einem Mal verwandelt hatte. Ihr Blick fiel auf die offene Tür.
Der Flur lag im Dunkeln und wurde nur blitzartig von einem grellweißen Licht erhellt. Auf dem Treppenabsatz, direkt vor Dannys Tür, sah Isobel eine hochgewachsene Gestalt stehen.
Angst packte sie, als sich die Gestalt auf sie zubewegte - sie schien über den Teppich zu schweben. Ein weiterer, tagheller weißer Lichtblitz durchzuckte den Flur und enthüllte den schwarzen Mantel und den zerschlissenen Filzhut der Gestalt.
Isobel wich in ihr Zimmer zurück. Doch irgendwie wusste sie, dass es nichts bringen würde, die Tür zuzuschlagen. Sie spürte, wie sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß.
Als die Gestalt die Türschwelle überschritt, sah Isobel, dass die untere Gesichtshälfte von einem weißen Schal verhüllt wurde.
Es war der Mann, den sie im Spiegel der Schultoilette gesehen hatte! Ein intensiver, ebenso süßlicher wie moschusartiger Duft nach verwelkten Rosen und parfümiertem Verfall umgab ihn.
Mit pochendem Herzen und weit aufgerissenen Augen sah Isobel, wie die Zimmertür hinter ihm wie von selbst zuging. Im gleichen Augenblick, als sie ins Schloss fiel, plumpsten die schwebenden Sachen mit einem kollektiven, vom Teppich gedämpften Schlag zu Boden.
»Hab keine Angst«, sagte der Mann. Seine Stimme war trocken, heiser und gedämpft, wie das Zischen beim Anreißen eines Streichholzes. Seine Augen funkelten über dem weißen Schal wie scharfkantige Kohlesprenkel. »Das ist nur ein Traum.«
Isobel stand regungslos und schweigend da und drückte beide Hände gegen die Wand hinter sich, als würde die ganze Sache dadurch realer werden.
Ein Traum?
Na ja, dachte sie und nahm sich einen Augenblick Zeit, um sich die Situation durch den Kopf gehen zu lassen - die schwebenden Dinge, die Blitze auf dem Flur, gefolgt vom Auftauche dieses geheimnisvollen, gruseligen Mannes. Ja, sie nahm ihm ab dass das hier ein Traum war. Nur was den Teil mit dem Keine’ Angst-Haben anging, war sie sich nicht so sicher.
»Wer … wer sind Sie?«
»Mein Name«, antwortete er, als hätte er die Frage bereits erwartet, »ist Reynolds.«
Isobel wich zurück und versuchte, einen größeren Abstand zwischen sich und Grusi Gruselig zu bringen. Sie bückte sich, ohne ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen, und hob ihre Haarbürste auf. Eine lächerliche Waffe war immerhin besser als gar keine Waffe.
»Wenn das hier ein Traum ist«, sagte sie, »dann ist es sehr wahrscheinlich, dass … dass ich mir Sie … dich nur einbilde. So wie in der Schultoilette, das war auch nur Einbildung. Und damals beim Training, falls Sie das auch waren. Du bist… nur ein Ausdruck unterdrückter … Kindheitstraumata.« Isobel versuchte alles an Vokabular hervorzuholen, was aus dem Psychologieunterricht hängen geblieben war.
»Dein Freund ist in großer Gefahr«, fiel der Fremde namens Reynolds ihr ins Wort. »Es wäre klug von dir,
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