Nevermore
werden. Das ist Halloween, daran muss ich euch ja sicher nicht erinnern.« Er lächelte, als die Schüler nacheinander den Raum verließen, und hob seine Stimme, um das allgemeine Ächzen und Murren zu übertönen, in das nun auch Isobel einstimmte. »Ich hoffe jedoch, dass es kein allzu furchterregendes Halloween für euch wird. Und nur damit ihr nicht sagen könnt, ich hätte euch nicht gewarnt: Abwesenheit ohne ärztliches Attest gibt null Punkte. Das gilt sowohl für euch als auch für eure Partner.«
Draußen auf dem Flur hielt Isobel inne und blickte nach links und rechts. Doch weit und breit war nichts von Varens grüner Jacke oder seinen schwarzen Haaren zu sehen. Ihr Herz wurde schwer. Wo steckte er denn nur?
Mit einem standhaften Tunnelblick betrat Isobel die Kantine. In Schlange stellen. Essen holen. Bezahlen. Kein Augenkontakt. Keine Gespräche.
Sie ging zu einem leeren Tisch und stellte ihr Tablett ab, ohne auch nur einmal in Richtung ihrer ehemaligen Clique oder zu dem Goth-Tisch zu schauen. Heute würde sie niemandem die Gelegenheit geben, ihr auch nur einen fiesen Blick zuzuwerfen. Stattdessen würde sie ihre Augen auf das Tablett gerichtet lassen und sich aufs Essen konzentrieren. Es ging nur darum, die nächsten zwanzig Minuten zu überleben.
Als sie die erste Gabel Salat zum Mund führte, wurde ein weiteres Tablett klirrend direkt vor ihrem abgestellt. Isobel senkte die Gabel und sah auf.
Gwen blickte sie durch ihre eulenhafte Brille an. »Was ist los?«, fragte sie und schob ihren Crinklerock weit genug hoch, um ihre dünnen, von Nylon umhüllten Beine unter den Tisch stecken zu können. Dann glitt sie auf die Bank gegenüber von Isobel.
Isobel öffnete den Mund, wusste aber nicht, was sie sagen sollte. Wollte sich Gwen wirklich zu ihr setzen? Ein überwältigendes Gefühl von Dankbarkeit stieg in ihr hoch und ließ sie fast eine Träne vergießen. Seit über einer Woche war das das Netteste, Was jemand für sie getan hatte.
»Bist du als Kind etwa auf den Kopf gefallen?«, schimpfte Gwen. »Erst legst du einfach auf«, sie hielt eine Hand hoch und zählte an den Fingern ab, »dann rufst du mich nicht zurück und dann tauchst du heute Morgen noch nicht mal an deinem Spind auf, um mir zu sagen, warum du mich nicht zurückgerufen hast!«
Isobel riskierte einen Blick zu der auf dem Boden sitzenden Gruppe, mit der Gwen normalerweise zu Mittag aß. Sie erntete spöttisches Grinsen von ein paar Bandana tragenden Mädchen und einige Jungs mit zotteligen Bärten sahen sie neugierig an.
»Hey, Erde an Isobel.« Gwen schlug mit ihrem Löffel gegen Isobels Tablett. »Warum um alles in der Welt hast du mich nicht zurückgerufen?«
»Oh, tut mir leid. Hab ich vergessen.«
»Dann werde ich aber mal gleich >Oh, tut mir leid< vergessen und dir erzählen, was ich heute Morgen herausgefunden habe.«
»Äh. Was?«
Gwen grinste. Mit einem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck verschränkte sie ihre Arme vor der Brust. »Nein, ich werd’s dir nicht sag-«, brach jedoch plötzlich ab und ihre Augen wurden groß und rund. Irgendetwas hinter Isobels Rücken hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt. »Ach herrje.«
Isobel drehte sich um. Schweigen breitete sich in der ganzen Cafeteria aus. Alle Augen richteten sich auf Mr Nott, den stellvertretenden Direktor der Schule, der durch die Flügeltür hereingekommen war. Links neben ihm Brad und rechts von ihm eine vertraute, dunkle Gestalt.
»Oh nein«, murmelte Isobel. Sie drückte sich mit beiden Händen vom Tisch ab, um besser sehen zu können. Bei Varens Anblick durchflutete sie freudige Erregung, gemischt mit Nervosität. Sie musterte ihn, machte eine Bestandsaufnahme aller seiner Gliedmaßen und kontrollierte ihn auf Anzeichen von blauen Flecken, Blut oder einem Schädelbasisbruch. Sein Gesicht sah noch immer genauso makellos aus wie letzte Nacht: sanft und ruhig. Brad hingegen stand mürrisch da, hatte die Schultern angespannt und die Hände zu Fäusten geballt.
Die beiden entfernten sich von Mr Nott und gingen in entgegengesetzte Richtungen davon, wobei sie einander ebenso ignorierten wie die zahllosen fragenden Blicke. Brad marschierte zu dem Tisch, wo ihre ehemalige Clique saß, während Varen an seinem üblichen Tisch vorbei-und geradewegs auf Isobel zuging.
»Heiliger Strohsack. Er kommt hier rüber«, flüsterte Gwen und warf mit flattrigen Händen ihren Joghurtbecher um.
Isobel atmete tief durch, als sie ihn näher kommen sah.
Eine braune
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