Nevermore
einen irgendwie dazu, sich zu fragen, was er sonst noch alles gut kann.« Sie stieß Isobel in die Rippen und strahlte. »Und warum sonst wäre diese kleine Miss Adams-Family zu uns rüberstolziert? Aber mach dir keine Sorgen, ich werde es nicht rumerzählen.« Gwen hielt eine Faust hoch und streckte den kleinen Finger aus. »Indianerehrenwort.«
Isobel zog verwundert eine Augenbraue hoch und seufzte, hakte dann aber ihren kleinen Finger in Gwens und schüttelte ihn.
»Komm mit.« Isobel drehte sich um und drückte die Tür zur Sporthalle auf. Gwen folgte ihr.
Sie fanden Trainerin Anne in ihrem Büro, wo sie irgendeinen Oldiesender hörte und über Papierkram brütete. Sie sah erst auf, als Isobel gegen die offene Tür klopfte.
»Ich will zurück ins Team«, verkündete Isobel.
Die Neugier der Trainerin, was Gwen betraf, ebbte augenblicklich ab. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und warf ihren Stift auf den Schreibtisch. Dann rieb sie sich das Gesicht, als wäre sie zu müde, um sich das Ganze anzuhören.
Doch Isobel gab nicht klein bei. Sie war wild entschlossen, alles zu sagen oder zu tun, was nötig war, um wieder durch die Luft fliegen zu dürfen.
»Du hast das Team verlassen, Lanley.«
»Und jetzt will ich wieder beitreten«, erklärte Isobel. »Ich hatte unrecht. Und es war dumm von mir. Ich will mit zu den Landesmeisterschaften. Ich will sehen, wie wir gewinnen.«
Coach Anne runzelte die Stirn, schürzte die Lippen und dachte nach.
Hinter ihnen hallte der Gong, der die Mittagspause beendete, durch die Turnhalle.
»Beweg deinen Hintern zurück in den Unterricht, Lanley« sagte ihre Trainerin. »Du hast noch zwei Stunden Zeit, um eine öffentliche Entschuldigung an das Team vorzubereiten, und zwar als Cheer. Verstanden?«
»Ja«, rief Isobel und machte einen Luftsprung.
»Geht schon«, sagte Trainerin Anne und scheuchte sie sanft zur Tür hinaus. »Ich schreibe euch keine Entschuldigung. Bewegt eure Hintern zurück ins Klassenzimmer.«
»Komm!«, sagte Isobel zu Gwen.
Sie eilten aus der Turnhalle und nahmen eine Abkürzung über den Hof. Unter ihren Füßen knisterten bei jedem Schritt herabgefallene Blätter.
»Isssobel.«
Sie hielt an und drehte sich um. Eine Windböe zog an ihnen vorbei und trieb einen Schwung Blätter vor sich her. Der angesengte Geruch des Herbstes stieg ihr in die Nase.
»Was ist los?«, fragte Gwen und schloss zu Isobel auf.
Isobels Blick schoss zu den Mülltonnen vor der Cafeteria. Sie glaubte, irgendetwas gesehen zu haben. Dann sah sie zu der Eiche in der Hofmitte. Ein dunkler Schatten verschwand hinter dem Stamm. Und ein leises Rascheln war zu hören. Eine Gruppe Tauben, die in der Nähe an einem Pizzarand herumpickten, flogen auf.
Isobel legte den Kopf in den Nacken und sah ihnen nach, wie sie in verschiedene Richtungen davonflogen. Sie schirmte ihre Augen vor der Sonne ab und erhaschte einen flüchtigen Blick auf mehrere dunkle Gestalten, die vom Dachvorsprung auf sie und Gwen herabsahen.
Hier stimmte etwas nicht.
Sie machte einen Schritt nach hinten, um besser sehen zu können.
Was Isobel zunächst für die Umrisse von Menschen gehalten hatte, waren in Wirklichkeit Krähen. Sie saßen alle auf dem Dach, putzten sich mit den Schnäbeln ihre Federn und ihre Köpfe machten dabei kleine, ruckartige Bewegungen.
Jemand kicherte.
»Was war das?«, flüsterte Isobel.
»Was war was?«, fragte Gwen zurück. »Was suchen wir überhaupt?«
Isobel drehte sich langsam im Kreis und suchte den leeren Hof und die leeren Betontische ab, auf denen Müll verstreut lag »Nichts. Ich habe nur -«
Drinnen läutete erneut der Schulgong.
»Schau, was du angerichtet hast! Deinetwegen kommen wir zu spät. Bist du jetzt zufrieden?« Gwen nahm Isobels Handgelenk und zog sie zum Eingang.
Isobel folgte ihr. Verwirrt starrte sie zurück auf den Hof. Als sie die Türen erreichten, konnte Isobel hinter die Eiche und die Mülltonnen sehen.
Doch da war nichts.
Als Isobel an diesem Nachmittag die Sporthalle betrat, war sie bereits fertig umgezogen. Sie trug einen dunkelblauen Sport-BH und die kurzen Shorts mit dem aufgestickten kleinen gelben Megafon in der Ecke.
Trainerin Anne pfiff einmal kurz in ihre Trillerpfeife. »Okay, Leute«, sagte sie und hob die Hand, um für Ruhe zu sorgen, »sucht euch einen Platz, Isobel hat euch etwas zu sagen.«
Das wurde mit vielsagendem Murmeln aufgenommen und ein oder zwei Teammitglieder verschränkten sogar die Arme vor der Brust, doch nach
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