Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
Vom Netzwerk:
strahlend wie ein Leuchtfeuer, und erhellte die Schatten. Lang und schlank. Das Licht nahm langsam Gestalt an, wallte unter einem sich bauschenden weißen Leichentuch. Isobel konnte nicht umhin, immer wieder einen Blick zurückzuwerfen. Sie sah, wie eine Gestalt aus dem schwächer werdenden Licht auftauchte - eine Frau von engelsgleicher Gestalt, deren Gesicht unter den vielen hauchzarten Schichten eines schwebenden Schleiers verborgen war.
    Reynolds hielt an und riss Isobel herum, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte. Er griff in die Luft und umfasste einen Türknauf, der sich genau in dem Moment zu materialisieren schien, als sich seine Hand darumschloss. Die Farbe der Tür stimmte exakt mit der des Waldes überein, so als sollte sie nicht auffallen.
    »Du bist ihre einzige Bedrohung und daher unsere einzige Hoffnung«, sagte er hastig und zog die Tür auf, die den Blick auf einen rosa Teppich und eine pinke Überdecke freigab. Er schob Isobel hindurch und sie stolperte in ihr Schlafzimmer. Sie sah sich auf ihrem Bett liegen - schlafend.
    »Lerne, aus deinen Träumen aufzuwachen, Isobel«, rief Reynolds ihr nach, »sonst sind wir alle verloren!«
    Die Tür schlug hinter ihr zu.

 
     
    Doppelt sehen
     
    Isobel starrte auf den schlafenden Körper in ihrem Bett. Ihren Körper.
    Auf einmal zeigte der Digitalwecker neben ihrem Bett halb sieben an. Das plärrende Weckgeräusch ertönte und ein kurzer, heftiger Ruck durchfuhr Isobel.
    Ein berauschendes Gefühl, wie beim Karussellfahren auf dem Jahrmarkt, überkam sie. Ihr Zimmer verschwamm zu Farbschlieren … und mit einem Schlag hielt alles an - viel zu schnell.
    Isobel fuhr in ihrem Bett hoch und keuchte auf. Hellwach starrte sie auf die Stelle vor ihrer Zimmertür, wo sie eben noch gestanden hatte - und sich selbst betrachtet hatte.
    Die Tür öffnete sich mit Schwung.
    »Izzy.« Ihre Mom lehnte sich ins Zimmer. »Ich bin zwar froh, dass du rechtzeitig wach bist, aber musst du wirklich so früh morgens schon mit den Türen knallen? Außerdem ist dein Vater bereits ins Büro gefahren. Es ist also niemand da, dem du etwas beweisen musst. Isobel?« Der Tonfall ihrer Mutter klang jetzt nicht mehr vorwurfsvoll, sondern besorgt.
    Isobel versuchte, sich auf das Gesicht ihrer Mutter zu konzentrieren. Doch ihr Blick glitt immer wieder in Richtung Flur.
    Ihre Mutter betrat das Zimmer, machte den Wecker aus und legte eine Hand auf die Stirn ihrer Tochter - wie Feuer brannte sie auf Isobels Haut.
    »Du siehst blass aus. Du wirst doch nicht wieder krank, oder?«
    Isobel konnte sehen, wie gelbes Licht aus dem Badezimmer und aus Dannys halb offener Zimmertür drang.
    Keine Bäume. Kein Wald. Kein Reynolds.

 
     
    Freak
     
    »Bodenkontrolle an Kadett Lanley. Hörst du mich?«
    Als Isobel an diesem Morgen ihren Spind erreichte, hatte sie sich eine überzeugende und (weitgehend) logische Erklärung für alles zurechtgelegt. Der Wald war von Varens CD-Cover mit den schwarzen Bäumen gekommen, in dem Lauf durch den Wald hatte ihr Unterbewusstsein den Lauf durch den Park verarbeitet und Reynolds … na ja, Reynolds hatte vermutlich irgendetwas mit ihrem Vater zu tun. Wenn man das alles in eine Schachtel mit dem Etikett »Albtraum« steckte und sie mit einem Band aus Traumtheorie verschnürte, kam eine recht gute Erklärung heraus. Die einzigen Puzzleteile, die nicht ins Bild passten, waren das seltsame weiße Licht und die mysteriöse Geisterfrau. Vielleicht, grübelte Isobel, war sie eine Metapher für Lacy.
    Der Spind neben ihrem fiel mit einem lauten Knall zu und ließ Isobel aufschrecken.
    »Hallo, jemand zu Hause?« Gwens Hand kreiste vor Isobels Gesicht, so als würde sie Schlamm von einem Fenster abwaschen.
    »Was ist denn?«, fragte Isobel und schob Gwens Hand weg.
    »Was ist denn?< Hast du echt nicht gehört, was ich gerade zu dir gesagt habe? Ich habe gesagt: >Geht es dir gut?< Mann, du bist ja total neben der Spur heute Morgen. Und du siehst ein bisschen kaputt aus.«
    Isobel sah weg und versuchte, ihr Gesicht hinter der Spindtür zu verstecken. »Ja, es geht mir gut. Ich habe nur nicht besonders aut geschlafen.«
    Über ihren Köpfen gongte es zum ersten Mal.
    »Hey«, sagte Gwen und sah Isobel immer noch wie etwas an, das man in einer Petrischale untersucht. Dann ließ ihre Besorgnis langsam nach und wich einem ironischen Lächeln. »Bevor ich es vergesse.« Sie hielt Isobel ein zusammengefaltetes Stück Papier entgegen, auf dem auf einer Seite Isobels Name in

Weitere Kostenlose Bücher